Prostitution 2022 – Urteil BVerwG – Wohnungsbordell im Mischgebiet

Prostitution 2022 – Urteil BVerwG – Wohnungsbordell im Mischgebiet

Irrungen und Wirrungen zu Aussagekraft und Bewertung

Mit Spannung wurde die Urteilbegründung im „Wohnungsbordell-Verfahren“ vor dem Bundesverwaltungsgericht (4 C 5/20) erwartet, da sich „die Branche“ vom dem Urteil eine neue verbindliche Rechtsnorm für die allgemine Genehmigungsfähigkeit von Bordellen in baurechtlichen Mischgebieten erhoffte. Aber im Verfahren ging es um etwas ganz anderes, nämlich um eine abgelehnte Nutzungsänderung von Wohnraum in eine „gewerbliche Zimmervermietung“, wie bordellartige Betriebe noch immer gerne genannt werden, und um die Frage ob die sogenannte „Typisierungslehre“ eine Ablehnung der Genehmigung ohne eine konkrete Einzelfallprüfung grundsätzlich rechtfertigt.

Die Klägerin aus Berlin hatte vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen die Ablehnung erfolgreich geklagt, das Land Berlin war in die 2. Instanz gegangen und hatte dann vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg obsiegt. Die Revision der Klägerin wurde beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen und im November 2021 von diesem obersten Gericht entschieden.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat der Revision der Klägerin stattgegeben und im Urteil dazu folgende Leitsätze formuliert:

„1. An der Beurteilung prostitutiver Betriebe auf der Grundlage der eingeschränkten Typisierungslehre haben weder das Prostitutionsgesetz noch das Prostituiertenschutzgesetz etwas geändert.“

„2. Das Störpontential eines sogenannten Wohnungsbordells im Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1962 lässt sich nicht typisierend erfassen. Es bedarf vielmehr der Einzelfallprüfung.“

Der Senat des BVerwG folgt damit der vorliegenden Rechtssprechung was die Typisierung von prostitutiven Betrieben anbelangt, die mit „theoretisch vorhandenem“ erheblichem Störpotential (milieubedingte Unruhe etc.) und der Unvereinbarkeit von Prostitutionsbetrieben und dem Wohnen argumentiert, verlangt nun aber im vorliegenden Verfahren im Einzelfall zu prüfen, ob das generell „angenomme“ Störpotential auch vorliegt, die Störung durch die Typisierung nicht nur abstrakt vorhanden sein kann, sondern auch tatsächlich ist!

Während man die sogenannte Wohnungsprostitution, die man in der gängigen Rechtssprechung nicht als Prostitutionsbetrieb sieht,  vorwiegend als mischgebietsverträglich betrachtet, da sie in der Regel nach außen nicht wahrnehmbar ist und zu keinen erhelblichen negativen Auswirkungen auf die benachbarte Wohnnutzung hat, wurde dies bei Wohnungsbordellen bisher „typisiert“ völlig anders gesehen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun in seinem Urteil quasi einen Rahmen definiert, mit dem man als Verwaltung oder Gericht die Zulässigkeit von Wohnungsbordellen in Mischgebieten ausloten kann. Wenn der prostitutive Betrieb baurechtlich nach aussen in Erscheinung tritt, beispielsweise durch Werbebeschilderung oder eine auffällige Fassadengestaltung, hebt er sich von der umgebenden Nutzung ab. Dadurch einstehen „Anreize“ für Laufkundschaft, Unruhe und damit negative Folgen für die Bewohner im Umfeld. Auch die Öffnungszeiten sind maßgeblich: Nachtbetrieb verträgt sich nicht mit Wohnnutzung, das ständige kommen und gehen von Kunden und Prostitutierten und eine regelmäßig größere Anzahl von Personen im Betrieb, entsprechen der bisherigen Typisierung, die eine Unverträglichkeit durchaus begründet und eine Baugenehmigung oder Nutzungsänderung weiterhin verhindert.

Das BVerwG hat übrigens im vorliegenden Fall nicht selbst geprüft, ob die Zulässigkeit quasi „ausnahmsweise“ vorliegt, hat die Berliner Behörde nicht verpflichtet eine Baugenehmigung zu erteilen, sondern das Verfahren zurück an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen mit der Auflage eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, das konkrete Störpotential zu ermitteln und dann eine neue Entscheidung zu treffen. Wie diese Beurteilung letztendlich ausfallen wird, kann man nicht absehen. Der Fall ist also noch nicht entschieden!

Die von nicht wenigen Zeitgenossen aus der Rotlicht-Branche erhobene Behauptung „Wohnungsbordelle in Mischgebieten sind durch das Urteil des BVerwG jetzt zulässig“ ist schlicht falsch. Richtig ist hingegen die Behauptung „Wohnungsbordelle in Mischgebieten können baurechtlich zulässig sein, wenn eine Einzelfall-Prüfung ergibt, dass es objektiv kein übermässiges Störpontential gibt.“

Aus dem Urteil lassen sich aber bundesweit „Einzelfall-Prüfungen“ einfordern, da die generelle abstrakte Typisierung dem obersten Gericht nicht ausreichend erscheint. Je „mehr“ ein Wohnungsbordell der Wohnungsprostitution in Form und Aussendarstellung entspricht, desto „wahrscheinlicher“ ist es, dass man eine Baugenehmigung erhalten kann. Bei Neuanträgen sollte man daher die Kriterien des BVerwG genau betrachten und bei laufenden „Verfahren“ über konzeptionelle Anpassungen nachdenken. Dabei unterstütze ich Sie auch in der Beratung gerne.

Ihr / Euer

Howard Chance

https://zukunft-rotlicht.info