Prostitutionsgesetze verfassungswidrig? – Die Stunde des Abolitionismus?
Mack – Breymaier – Ackermann – Rommelfanger – Bell – Louis -Sisters e.V. – Solwodi e.V. – Diaka e.V. und andere
In den vergangenen Wochen des sogenannten „Sommerlochs“ schlug – vermeintlich – die Stunde des Abolitionismus und die Rotlicht-Branche musste mal wieder erkennen, welch umfangreiches Netzwerk sich inzwischen in Deutschland „gegen das Rotlicht“ etabliert hat. Nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“ wird mit stereotypen pauschalen Behauptungen ein generalstabmäßig geplante Kampagne gegen die Prostitution als solches gefahren und nach der stetig wiederholten Forderung zur Einführung des „Nordischen Modells“ in Deutschland, gibt es nun sogar eine als Buch veröffentlichte Studie eines Autorenduos, welches die These vertritt, dass die deutschen Regelungen für das Prostitutionsgewerbe (maßgeblich bestehend aus dem ProstG und dem ProstSchG) nicht mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vereinbar seien und hier eine grundsätzlich „Neuregelung“ notwendig sei.
Prof. Dr. Elke Mack (Professorin für Christliche Sozialwissenschaft und Sozialethik) und Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger (Fachanwalt für Verwaltungs- und Medizinrecht) haben in Ihrer gemeinsamen Studie „Sexkauf – eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution“ die aktuelle Situation wissenschaftlich analysiert und kommen dabei u.a. zu dem Schluss, dass mehr als 90 % der Prostituierten ihren Körper nicht freiwillig verkaufen und die Vermarktung des Intimbereichs eines Menschen, wenn er denn nicht freiwillig geschieht, menschenunwürdig ist und damit gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstößt.
Beruhen die „mehr als 90%“ aus empirischer Forschung, aus statistischen Berechnungen oder aus der Summe beider Methoden? Wie viele Sexworker wurden befragt, wo beginnt und wo endet die Freiwilligkeit und wie wurde dies wissenschaftlich bewertet und gewichtet? „Mehr als 90%“ klingt nahezu absolut und geradezu erschlagend, wenn man nicht böswillig unterstellt, dass diese Formulierung dem „Marketing“ und als fragwürdiger „Beweis“ für die eigene These gilt.
Da man in Deutschland nicht einmal ansatzweise weiß, wie viele Personen im Bereich der Prostitution tätig sind und die Schätzungen hier zwischen 100.000 und 400.000 liegen, stelle ich mir die Frage, wie man mit total vagen Zahlen und Annahmen überhaupt Prozentrechnung betreiben kann. Schon allein dieser Umstand lässt an der Seriosität der Studie zweifeln.
Vermutlich ist die Studie ohnehin eine „Auftragsarbeit“, da sich das Buch sicher nur schwer verkauft und die wissenschaftliche Arbeit damit keinen nennenswerten monetären Vorteil für die Autoren erwirtschaften wird. Natürlich ist auch „pro bono“ denkbar, aber vermutlich gibt es bekannte Gruppierungen, die unterstützend wurden oder werden, um ihre eigenen Behauptungen mit einem wissenschaftlichen Dokument zu manifestieren.
Der Autor Rommelfanger postuliert in einem Interview, dass der deutsche Gesetzgeber die Freiwilligkeit der Sexarbeit „einfach unterstellt“, ohne dabei empirische Grundlagen zugrunde zu legen. „Der Gesetzgeber hat weder den Würdeschutz eingehend beachtet noch die Freiwilligkeit ausreichend geprüft und lässt eine fortgesetzte Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Prostituierten zu. „Gleichzeit stellt er fest, dass dem Gesetzgeber keine verlässlichen Daten vorliegen, was bei einer völlig unklaren Lage ja nun wahrlich kein Wunder ist.
Wie der Staat hingegen die Freiwilligkeit der Arbeit „ausreichend prüfen“ soll, bleibt offen und führt bei mir zu weiterem Stirnrunzeln. Wenn es keinen Beweis für die Freiwilligkeit gibt, unterstellt man einfach die fehlende Freiwilligkeit und dass mit den 90 % – von was auch immer – nahezu absolut. Es klingt nach einer „Milchmädchenrechnung“, mit Verlaub. Haben wir es am Ende mit einer Fiktion zu tun, also mit etwas bildungssprachlich „Erdachtem“ oder dem philosophischen Hilfsmittel der falsche Annahme als Methodik bei der Lösung eines Problems?
Spannende Fragen, die man mangels vorhanden Fakten, weder wissenschaftlich noch gefühlt „empirisch“ (also beruhend auf der allgemeinen oder erworbenen Erfahrung) beantworten kann. Nach den Gesetzmäßigkeiten der Logik führen falsche Annahmen zwangsläufig zu falschen Ergebnissen und dies gilt naturgemäß in allen Bereichen der Wissenschaft.
Das Ergebnis der Studie Mack / Rommelfanger soll nun voraussichtlich, so lesen wir es aktuell bei EMMA, als Grundlage für eine „abstrakte Normenkontrollklage“ dienen. Eine solche Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ist möglich, wenn die Bundesregierung, eine Landesregierung oder aber ein Viertel der Abgeordneten des Deutschen Bundestages (das sind nach jetziger Zählung 184 Abgeordnete) entsprechende Anträge stellen.
Mit dieser Klageform wäre dann, sofern ein entsprechender Antrag überhaupt angenommen wird, vom Bundesverfassungsgericht zu prüfen, ob die deutsche Prostitutionsgesetzgebung (ProstG und ProstSchG) gegen das Grundgesetz verstößt und ob diese Gesetze, die ja eigentlich ein regulativen schützenden Gedanken haben, die Würde der Sexarbeiterinnen „antasten“ bzw. herabsetzen. Wichtig: Nicht die Prostitution als solches wird angegriffen, sondern die diesbezügliche Gesetzgebung in Deutschland.
Ich denke, dass das vorhandenes Gesetz, so stückwerkhaft es in der Praxis auch sein mag, mehr Schutz bietet als ein Gesetz, das es nicht gibt. Die Aufhebung des ProstG und des ProstSchG würde die Lage der Sexworker sicher nicht verbessern und auch nicht zu mehr Würde verhelfen. Die gewählte Vorgehensweise ist daher „sehr abstrakt“ und ich bin sehr gespannt, ob sich im Deutschen Bundestag das notwendige Viertel der Abgeordneten findet.
Die Abgeordnete Breymaier, die wir ja schon hinreichend kennen, wird wie immer trommeln und in der Öffentlichkeit wird nun über Bündnisse und Medien eine Studie verbreitet und intern kräftig gefeiert, deren vermeintliche Aussagekraft nur von den höchsten Richtern in Karlsruhe abschließend beurteilt werden kann, wenn denn eine solche abstrakte Normenkontrollklage überhaupt zustande kommt und zur Verhandlung angenommen wird.
Die Hürden in Karlsruhe sind hoch und so mancher „Hürdenläufer“ ist hier schon kräftig auf die Nase gefallen! Abschließend noch einmal mein höchstpersönlicher Hinweis: Der Schutz der Sexworker(innen) hat auch für mich höchste Priorität und bei Gewalt gegenüber dieser Personengruppe gibt es für mich Null Toleranz, aber die vorsätzliche „Verteufelung“ der gesamten Branche ist ebenso wenig hinzunehmen. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gute, wie sich auch in der „Causa Breymaier“ zeigte, wo die Abgeordnete für „allgemeine herabsetzende Äußerungen“ strafrechtlich nicht belangt werden konnte, da ihre Kommentare nicht auf einzelne Personen abzielten, sondern auf eine „diffuse Gruppe von Personen“, die eben nicht klar umrissen war.
Howard Chance