Prostitution 2024 – Howard Chance – Konjunktur – Sexkaufverbot?
Verbunden mit den besten Wünschen für das Jahr 2024 grüsse ich heute zum Jahresbeginn ganz herzlich in die Runde und nutze die Gelegenheit um einige meiner Einschätzungen rück- und ausblickend als Denkanstöße zu postulieren.
Konjunktur im Jahr 2023
Das Jahr 2023 war für die Betreiberbranche recht „durchwachsen“ und gerade große Betriebe hatten bei hohen Kosten oft das Problem genügend erotische Dienstleisterinnen zu finden. Man berichtete mir wiederholt von einer Auslastung von unter 50%, was womöglich noch Kostendeckung bedeutet, mehr aber eben auch nicht! Bei gut eingeführten Terminwohnungen gab es eine hohe Nachfrage und auch kleinere Erotikclubs kamen im Durchschnitt recht gut klar. Die Kunden, also die sogenannten „Freier“, scheinen in ihrer Anzahl abgenommen zu haben und die Intervalle zwischen den Besuchen scheinen sich aus wirtschaftlichen Gründen vergrößert zu haben.
„Freischaffende Künstlerinnen“, die per AirBnB oder mit ständigem Wechsel von Aufenhaltsorten arbeiten, sind nach wie vor auf dem Vormarsch und umgehen damit die gesetzlichen Vorgaben wohlwissend, dass die Ordnungsbehörden personell nicht in der Lage sind, den Mißständen Einhalt zu gebieten. „Privater Escort“, oft auch ohne Prostitutionspapiere, ist gang und gebe und lässt sich nicht verhindern. Sugardaddy trifft Sugargirl im stillen Kämmerlein: romantisch, gemütlich und für die Damen durchaus ertragreich.
„Der Kuchen ist insgesamt kleiner geworden und viele Kuchenstücke landen eben nicht mehr im konzessionierten Bereich, sondern in den Grauzonen!“
Interessanterweise haben sich die Preise im Bereich der Prostitution seit Jahrzehnten kaum verändert. Während der Döner vor 25 Jahren um die 5 DM kostete und heute inflationsbereinigt für 7,50 € und mehr über den Tresen geht, kostet das kleine Sexeln im Bordell für 20 min 50 Euro und damit etwa gleich viel wie vor dem Jahr 2000, wo man für die kleine Nummer um die 100 DM bezahlte. Wenn man bedenkt, dass Sexarbeit und die Nachfrage danach „damals“ boomte und Laufhäuser regelmäßig Auslastungen von 80 – 90 % hatten, ist festzustellen, dass die geradezu märchenhaften Gewinne für die BetreiberInnen, aber auch für die Sexworkerinnen, heutzutage nicht mehr existieren.
Die Zeit der „schnellen goldenen Nase“ ist vorbei und man kann, wenn man nicht Eigentümer der erotischen Immobilie ist und viel Miete und die deutlich gestiegenen Energiekosten zahlen muß, nach einigen schlechten Monaten wenig überraschend in die Bredouille geraten. Je größer der Betrieb und je mondäner die Ausstattung mit Schwimmbad, Whirlpool, Sauna, Klimaanlage und Co., desto größer ist das Risiko nichts mehr zu verdienen. Neueröffnungen in diesem Segment kommen kaum noch vor und ich kenne einige Betreiber von Großbetrieben, die ihren Betrieb gerne so bald wie möglich abstoßen möchten, um nicht weiter in die Miesen zu geraten.
Doch wer kauft in der jetzigen Zeit einen Betrieb mit exorbitanten Fixkosten, dessen Erfolgsaussichten langfristig negative Tendenz haben? Nun ja, es mag Geschäftsmodelle geben, die solche „Verluste“ einkalkulieren und die darauf basieren „andere Gelder“ mit Miele zu säubern, aber dies entspricht natürlich nicht der üblichen Kaufmanns-Sitte und wird zudem durch die zugenommene „behördliche Digitalisierung“ immer riskanter.
Gute Geschäfte machen hingegen die Vermieterinnen und Vermieter von sogenannten „Hostessen-Appartements“, wo man für möblierte Einzimmer-Appartements statt einer üblichen Warmmiete von 750 € im Monat ohne große Probleme 2.000 bis 2.500 € erzielen kann, wenn man in die erotischen Nutzung einwilligt oder aber gegenüber dem Amt solange mit Unwissen glänzt, bis die Wahrheit dann nicht mehr zu leugnen ist. Die Anzahl der nicht offiziell gemeldeten und konzessionierten Wohnungen dürfte die der mit Genehmigung versehenen Ojekte deutlich übersteigen, zumal es für zuständigen Behörden oft schwierig ist „Wohnungsprostitution“ auszuschließen, wenn nachvollziehbare Mietverträge vorliegen und Meldungen nach dem Meldegesetz erfolgen.
Wenn man als offizielle Betreiberin oder Betreiber tätig ist, wird man nach den Vorgaben des ProstSchG ständig kontrolliert und beobachtet. Verstöße führen schnell zu Bußgeldern, man ist greifbar und sich seines rechtswidrigen Handelns bewußt. Als „Graubürger“ ist man den Behörden hingegen erst einmal nicht bekannt und kann auf behördliche Überlastung hoffen, da es auch nicht so einfach ist den Betrieb eines illegalen Bordells einer Person zuzuorden und zu beweisen. Übrigens befinden wir uns bei denn Verstößen gegen das ProstSchG im Ordnungswidrigkeitsrecht, wo es für die Behörden nach dem Opportunitätsprinzip sogar möglich ist von einer Verfolgung abzusehen.
Deutschland auf dem Weg zum „Nordischen Modell“?
Als BetreiberIn eines Prostitutionsgewerbes ist man quasi „Zwischenhändler“ und verdient so an der prostitutiven Arbeit einer dritten Person mit, partizipiert also daran. Dieser Umstand ist vielen Sexkaufgegnern ein besonderer Dorn im Auge.
Beim „Nordischen Modell“, dass momentan in der deutschen Politik von der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag propagiert wird, ist jeglicher „Sexkauf“ verboten, wobei aber nur die Sexkäufer bestraft werden, Sexverkäuferinnen hingegen in der Regel von Strafe veschont bleiben. Freudenhäuser jeglicher Art und Prostitutionsvermittlung sind ausdrücklich verboten.
Momentan herrscht in der Branche eine zunehmende Unruhe, was die Intention der CDU/CSU anbelangt. Dass sich auch der SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich in einer Fragstunde eindeutig gegen Prostitution positionierte, verschärfte das negative Gefühl nochmals ungemein. Ein Regierungswechsel wird bei der nächsten Bundestagswahl nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht zu vermeiden sein. Ein Bundeskanzler der CDU/CSU wird es dann wohl sein, wenn man die aktuellen Umfragewerte betrachtet. Das hin und her der Ampel wird kaum nachlassen und das spielt den Konservativen natürlich in die Karten. FDP und Linke sind in Gefahr 2025 nicht mehr in den Bundestag einzuziehen, Grüne und besonders die SPD sind in einem Abwärtstrend, der sich kaum aufhalten lässt.
Ich halte für die nächste Bundestagswahl zwei Koalitionen für rechnerisch möglich: Denkbar ist eine Koalition der CDU/CSU mit der SPD oder eben ein Bündnis von CDU/CSU und den Grünen. Siehe hierzu auch die aktuelle „Sonntagsfrage“: https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/sonntagsfrage/
Die gegenwärtige Bundesgesundheitsministerin Lisa Paus (Grüne), die die Evaluation des ProstSchG in Auftrag gegeben hat, sowie der Bundesjustizminister Marko Buschmann (FDP) haben sich in der aktuellen Debatte gegen ein Sexkaufverbot ausgesprochen. Doch es ist nicht sicher, ob diese beiden Parteien in der nächsten Legislaturperiode noch in Regierungsverantwortung sein werden. Die SPD ist bei der Frage Sexkaufverbot gespalten: es gibt Befürworter (wie z.B. Olaf Scholz) und andere, die das Verbot ablehnen und man kann nicht absehen, ob in einer neuerlichen großen Koalition CDU/CSU mit der SPD eine entsprechende Gesetzesiniative für ein Sexkaufverbot zustande käme. Bei einer Koalition CDU/CSU und Grüne würde ich es eher ausschließen, da sich die Grünen recht eindeutig gegen ein Sexkaufverbot positioniert haben.
Zusammenfassung: außer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich keine der etablierten Parteien für ein Sexkaufverbot ausgesprochen und selbst in der CDU/CSU als Partei gibt es keine einheitliche Meinung!
Bei Wikipedia gibt es zum Nordischen Modell einige interessante Informationen zur politischen Positionierung in Deutschland:
https://de.wikipedia.org/wiki/Nordisches_Modell_f%C3%BCr_Prostitution
Ende 2025 wird dem Parlament auch der wissenschaftliche Evaluationsbericht des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zum ProstSchG vorliegen, der darlegen wird welche Auswirkungen das ProstSchG in der Praxis hat, wo es Schwachstellen gibt und wo Veränderungen notwendig sein können. Die vom Bundesfamilienministerium beauftragte Studie hat jedoch ausdrücklich nicht die Aufgabe über ein Prostitutionsverbot in Deutschland zu befinden!
Nach den Regeln der Vernunft wird man vor einer neuerlichen Gesetzesinitiative zur Prostitution in Deutschland das Ergebnis der Evaluation abwarten und die Studie umfangreich debattieren.
Einige Verbände der Sexarbeit haben auf das CDU/CSU-Positionspapier in den vergangenen Wochen sehr geschockt und überrascht reagiert und viele BetreiberInnen wurden dadurch abrupt aus dem vermeintlichen Schlaf der Sicherheit geweckt. Natürlich muss man sich mit der Thematik beschäftigen, die, wie könnte es anders sein, in Deutschland sehr komplex ist.
Ein Gesetz abzuschaffen und durch ein neues völlig konträres zu ersetzen geht nicht über Nacht, sondern ist diversen parlamentarischen Prozessen unterworfen.
Das schafft zumindest ausreichend Zeit neben dem Plan A (Alles geht irgendwie weiter wie bisher) auch einen Plan B (Worst Case – Sexkaufverbot) zu entwickeln. Die Jahre der Entscheidung könnten die Jahre 2026 oder 2027 sein und wir wissen alle nur zu gut, wie schnell die Zeit vergeht.
Über ein führendes deutsches Rotlicht-Portal wurde zu Jahresbeginn ein aktueller „Brandbrief“ des UEGD e.V. an BetreiberInnen und Sexworker weitergeleitet, ein Brief in dem der Verband eine Informations-Veranstaltung im Februar in Frankfurt am Main ankündigt, bei dem Verfassungs- und Strafrechtler zum Thema „Jetzt erst recht – gegen das Prostitutionsverbot“ referieren sollen. Die Referenten sind noch nicht namentlich genannt; Details und eine Anmeldemöglichkeit soll es im Laufe des Monats geben. Ich werde selbstverständlich dazu weiter berichten.
Die Einschätzung von Verbandschef Holger Rettig, dass „die Lage noch nie so ernst war wie jetzt“ teile ich ausdrücklich und habe dies bereits in meinem Beitrag Prostitution 2023 – CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert Sexkaufverbot! Anfang Novemer 2023 ähnlich festgestellt. Auch weitere bekannte Funktionäre und Anwälte der Branche, mit denen ich regelmäßig im Kontakt stehe, haben durchaus Sorgenfalten auf der Stirn, haben aber noch keine konkreten Ansätze der politischen Kampagne wirksam zu begegnen.
Eine „Pro-Prostitutions-Kampagne“ ist schwierig zu gestalten, es sei denn es gelingt die Politik sowie die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass erlaubte, regulierte und kontrollierte „Verhältnisse“ für Sexarbeitende mehr Sicherheit garantieren, als grauer Wildwuchs im Untergrund. Da helfen keine Sonntagsreden und Pamphlete sondern ausschließlich nachprüfbare Fakten, um die politische Meinung noch wirksam zu beeinflußen.
Machen wir uns nichts vor: ein Sexkaufverbot in Deutschland würde primär die Gruppe der Betreiberinnen und Betreiber treffen. Prostitution wird es auch weiterhin geben Sexarbeiterinnen würden wohl nicht bestraft, wenn sie ihrer Arbeit im Graufeld weiter nachgehen und die Akquise würde „auf privater Ebene“ munter weitergehen.
Ich behaupte: in jedem Land, wo es bereits ein Prostitutionsverbot nach dem „Nordischen Modell“ gibt, findet der interessierte Kunde im Internet schnell ausreichende Angebote, um seine Lust zu befriedigen.
Der gerichtsfeste Nachweis, dass private Treffen prostitutiven Charakter haben, ist sehr schwierig. Sexsuchende Kunden haben dann ein gewisses aber noch überschaubares Risiko beim kontakten und beim Vollzug des Sexkaufs von den zuständigen Behörden erwischt zu werden.
Aber die sichtbaren ja geradezu plakativen Rotlicht-Betriebe können unter einer Sexkaufsverbots-Gesetzgebung nicht weiter offiziell existieren und der Weg in den Untergrund dürfte mit umfangreichen odernungs- und strafrechtlichen Risiken verbunden sein. Verbotene Bereitstellung von Räumen und Vermittlung von Sexworkerinnen dürfte dann intensiv verfolgt und auch empfindlich betraft werden.
Keine roten Lampen mehr, keine erotische Werbung, keine Stellung von Räumlichkeiten für den gewerblichen Geschlechtsverkehr und keine Vermittlung von Sexkäufen. Das Ende der Prostitutionsgewerbe nach dem ProstSchG.
Dass sich die Branche nun zusammensetzt und hoffentlich gemeinsam an einem Strang zieht ist sinnvoll, jedoch ist Panik oftmals ein schlechter Ratgeber und die willkürliche Dramatisierung ist vorallem oft eines: „dramaturgisch“ orientiert (angelehnt: Lehre von der Gestaltung von Dramen“)
Sobald ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht werden sollte, wird es schwierig und wir wissen aus der Erfahrung wie hoch die Hürden bei Verfassungsbeschwerden und ähnliche Verfahren sind.
Während die ProstitutionsgegnerInnen intensiv an der Meinungsbildung gearbeitet haben und hier Kampagne auf Kampagne folgte, hat sich die Mehrheit der deutschen Prostitutionsbetriebe darauf verlassen, dass die Forderung nach einem Sexkaufverbot verhallt. Dies war, wie wir jetzt feststellen, nicht der Fall! Dem hohen Aufwand des „Nordischen Bündnisses“ muß nun politisch mit gleichem Aufwand initiativ begegnet werden.
Ein Brainstorming kluger Köpfe und die Einschaltung von politischen Beratern mit Zugang zu den höchsten Ebenen der deutschen Politik ist notwendig und sinnvoll.
Doch noch einmal eine wichtige Feststellung: ein Positionspapier ist noch keine Gesetzesinitiative und ein solches müßte in jedem Fall in einer Koalition und in einem Koalitionsvertrag vereinbart werden! Etwas zuviel Glaskugel zum gegenwärtigen Zeitpunkt und kein Grund für Panik und damit verbundene Hektik!
Ich wünsche mir für 2024 gute Dialoge und Gespräche, eine konstruktive Zusammenarbeit mit allen „Gleichgesinnten“ und natürlich allen einen guten Mut für die Zukunft.
Ihr / Euer
Howard Chance