Aktion Bären-Dienst – Julia Klöckner brüskiert Regierungskoalition

Aktion Bären-Dienst - Julia Klöckner brüskiert Regierungskoalition?
Aktion Bären-Dienst – Julia Klöckner brüskiert Regierungskoalition

„Deutschland ist der Puff Europas! – Prostitution muss endlich verboten werden!“

Mit markanten Worten schafft man es in Deutschland spielend in die Schlagzeilen, zumindest wenn man ein hohes politisches Amt bekleidet und damit automatisch über die notwendigen „Kanäle“ verfügt, um die Botschaft unters Volk zu bringen.

Als Bundestagspräsidentin ist man die höchste Repräsentantin der Legislative und hier eigentlich eines gewissen Neutralität verpflichtet. Was Frau Julia Klöckner (CDU) aber wenig kümmert, wenn man denn medial vermeintlich kräftig punkten kann.

Das Thema „Prostitution in Deutschland“ ist beim Bundesfamilienministerium beheimatet und dort hat man vor einigen Monaten den Evaluationsbericht des KFN erhalten, der ministeriumsintern noch ausgewertet wird und wo zeitnah ein Expertenrat einberufen werden soll, der die Evaluationsergebnisse diskutieren und Empfehlungen für Veränderungen am geltenden Prostitutiertenschutzgesetz abgeben soll. Ein übliches Vorgehen und so auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD festgeschrieben.

Warum Frau Klöckner nun statt der zuständigen Fachministerin Prien ungestüm und geradezu polemisch die verbale Keule auspackt und sich dabei einer Formulierung bedient, die Dorothee Bär (CSU) vor genau einem Jahr ebenfalls verwendete, erschließt sich dem Fachmann nicht und die Laien staunen ohnehin. Früher hieß es vornehm: „Deutschland ist das Bordell Europas“. Dorothee Bär formulierte um in „Deutschland ist der Puff Europas“ und Parteifreundin Julia Klöckner übernahm den deutlich markanteren Begriff in ihre „Laudatio“ der vergangenen Woche.

Wird sie damit nun selbst zur Heldin der Prostitutionsgegnerschaft oder verärgert sie nicht massiv die Parlamentskolleginnen und -kollegen, die sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt haben das Thema „Prostitution“ mit Weitsicht anzugehen und das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten.

Julia Klöckners inhaltlicher Vortrag besteht aus den üblichen Narrativen, für die bislang jeder wissenschaftliche Beweis fehlt. Woher weiss sie mehr als beispielsweise die Wissenschaftler, die über 2 Jahre intensiv zum ProstSchG geforscht haben und dann den umfangreichen Evaluationsbericht vorgelegt haben? – Klöckners Wahlkreis ist prostitutiv betrachtet sicher kein Hot-Spot und mir drängt sich der Verdacht auf, dass die Bundestagspräsidentin auch noch nie in einem Bordell war.

Ihre Informationen stammen vermutlich vom Hörensagen, aus vorliegenden Schriften der Anti-Prostitutions-Lobby oder wurden von Freundin Bär übermittelt, die sich ja inzwischen auf andere politische Felder verlegt hat und das Wort „Prostitution“ öffentlich nicht mehr in den Mund nimmt. Aber vielleicht ist es – im übertragenen SInne – dennoch ein „Bären-Dienst“?

Als Mit-Gründer des „Bündnisses für legale Prostitution„, dass im September einen umfangreichen faktenbasierten Reader zum Thema „Sexkaufverbot“ vorgelegt hat, kann ich über den Vorstoß von Frau Klöckner weder schmunzeln noch lachen, weil die Unsachlichkeit die Oberhand gewinnt und man schon wieder mit „Kampfgesängen“ in die Schlacht zieht und zwar im Fall von Frau Klöckner sogar mit der Forderung die Prostitution in Deutschland gänzlich zu verbieten … was dem von der CDU/CSU eingeforderten Sexkaufverbot nach dem „Nordischen Modell“ nicht entspricht, sondern deutlich darüber hinausgeht.

Ein Prostitutionsverbot würde nämlich nicht „nur“ die Betreiber und die Sexkäufer kriminalisieren, sondern auch die Sexarbeiter:innen. Es liegt nah, dass Frau Klöckner das Prinzip des Nordischen Modells nicht so genau auf dem Schirm hat und etwas kundgetan hat, was der CDU/CSU-Linie gar nicht entspricht. Hier gibt es Klärungsbedarf und auch bereits Kritik aus den Reihen des Koalitionspartners.

Howard Chance

https://www.kein-sexkaufverbot.de