SWR: Prostitution im Dunkeln – Ein Reportageabend im TV – Ein Kommentar
Realität versus Fiktion und ein Bunker-Fotograf mit komischer Neigung
Sex sells und auch im öffentlich-rechtlichen TV-Programm steigen prompt die Einschalteqouten, wenn es um Sex in Kombination mit etwas Crime geht. Prostitution findet meistens im Dunkeln statt und zwar in der bewährten Mischung aus faltenfreundlichem Licht und einer gewissen plüschigen Verruchtheit. Das war so und wird vermutlich auch weiter so bleiben.
Thematisch ging es um Prostitution in der Pandemie, um das Ausweichen der Dienstleisterinnen in Graubereiche, um die Gefahren der Arbeit alleine in verschwiegenen Appartements, um schlimme Gewalt bei einem Escort-Termin und um den Frust der legalen Betreiber, die sichere Räume anbieten, aber nun die Dummen sind, weil Politik und Verwaltungen die Augen vor unkontrolliertem „Schaffen“ verschließen. Zudem ging um Ausstiegszenarien, angebliche Miet- und Werbewucher und um einen „unterirdischen“ Fotografen, der Mädels aus dem Gewerbe gerne in schmutzigen Bunkeranlagen fotografiert und nicht weiter definierte „Interviews“ mit den Damen führt.
Auch eine Dame aus der Karibik, die seit Jahren ihren Ausstieg aus der Branche plant, dies aber trotz Hilfe durch eine qualifizierte Beratungsstelle nicht schafft, kommt zu Wort und wird beim Backen für ihrer Geburtstagsfeier gezeigt. Dann noch die überraschende Information, dass viele osteuropäische Damen nun in der Heimat arbeiten, das aber „demnächst“ in Deutschland eine neue Damen-Schwemme aus Osteuropa „droht“. Viel Input und Durcheinander für 45 min, für den Normalbürger schwer einzuordnen
Der uns bekannte und verbundene John Heer stellte die Lage in seinem Stuttgarter Viertel sachlich dar und erklärte, warum sein Laufhaus erst im März 2022 wieder öffnen wird: im Chaos der Corona-Maßnahmen war eine Öffnung zwar theoretisch schon früher wieder möglich, aber es fehlte an Dienstleisterinnen, die während den Schließungen alternative Arbeitsmodelle ausprobiert hatten und dabei auch in Probleme geraten waren.
Eine Dame, die John Heer bekannt war und sich im Escort betätigt hatte, wurde in Ulm von einem Freier vergewaltigt und nackt vor die Türe gesetzt, die herbeizitierte Polizei tat quasi nichts, um der Dame wirksam zu helfen, was nun zu Dienstaufsichtsbeschwerden führte. Fazit: ungeschützte Arbeit hat Risiken, im Bordellbetrieb sind solche Übergriffe ziemlich ausgeschlossen!
In einem unterirdischen Bunker in Mannheim sehen wir eine Fotografen, der eine alte Matraze aus der Ecke zieht und dann behauptet, dass es daran Spuren gibt, die darauf hindeuten, dass Sexarbeiterinnen darauf übernachten. Dazu fabuliert er über Geschichten, die ihm Damen aus der Branche bei „Interviews“ erzählt haben.
Anketten im Keller bei SM-Spielen? Ohne Zustimmung? Man hat den Eindruck, dass der Fotograf voyeristisch veranlagt ist und Frauen aus der Branche bewusst fotografisch-künstlerisch im Dreck abbilden will. Mit welcher Aussage? Man macht sie zum Dreck, zieht sie in den Dreck? Die Intention ist nicht wirklich erkennbar und die Rolle des Protagonisten wird ebenfalls nicht deutlich.
Eine privat arbeitende Dame berichtet, dass ihr Vermieter die Miete von 1.200 Euro auf 3.000 Euro erhöht hat, da sie ja der Prostitution nachgeht. Dazu kommen Werbeanzeigen, deren Preise fast doppelt so hoch angegeben werden, wie sie nach meinen Recherchen und Kenntnissen wirklich sind. Ergänzt um dienotwendigen Lebenshaltungkosten und Zahlungen in die Heimat gehen für „Kosten“ die Hälfte der Einnahmen drauf. Grob kalkuliert erklärt die Dame damit ,im Monat um die 9.000 Euro wiederum „privat“ umzusetzen. Das die Miete vermutlich größtenteils „schwarz“ läuft, braucht nicht gesondert erwähnt zu werden. Auf Gefahren angesprochen erklärt sie, dies gut abschätzen zu können und die Lage eigentlich im Griff zu haben.
Während in den Stuttgarter „Dunkeladressen“ scheinbar für alle Beteiligten der Rubel rollt, arbeitet man in Mannheimer Szenekneipen in Hinterzimmern eher für sehr kleines Geld und übernachtet gegen Zahlung an den Wirt auch schon mal am Tresen, in der Besenkammer oder wo gerade Platz ist. Auch „Arbeit im Dunkeln“ mit Profiteuren, die Notlagen ausnutzen und sich am schwächsten Glied der Kette bedienen.
Die Reportage, die ständig die Standorte wechselt und dabei thematisch hin und her springt, wirkt verwirrend, zeigt dabei aber schon, wie unterschiedlich die Rotlicht-Branche sein kann. Ob die Darstellung wirklich authentisch ist, zweifle ich an dieser Stelle einmal an: zuviel den Inhaltes lässt ein Drehbuch vermuten, dass eine Intention verfolgt. Aber welche dies sein soll, ist mir leider nicht gelungen zu entschlüsseln.
Interessanterweise kommt das Thema „Menschenhandel“, Zuhälterei und Co., was oft zentraler Inhalt ist, in dieser Reportage nur am Rande vor und auch das Thema „Corona“ wird nicht weiter behandelt. „Prostitution im Dunkeln“ ist ja auch nichts Neues, diese hat sich lediglich in der Corona-Pandemie zwangsläufig ausgeweitet. Die Gründe, warum man „anschaffen“ geht, sind auch nicht neu, die Rahmenbedingungen aber schwieriger geworden. Wer traumatisiert wen und warum?
Ich blieb nach 45 min vor dem Fernseher etwas ratlos sitzen und überlegte, welche konkrete Aussage die Reportage nun hatte? Vielleicht kann mir jemand bei der Ergründung helfen?
Der Link zum Beitrag beim SWR: