Das neue Prostitutionsgesetz für 2017 – Einführung von Howard Chance
An dieser Stelle finden Sie die Basis-Informationen zum neuen Prostitutionsgesetz für 2017: alle Informationen, die für den Neueinstieg in das Thema wichtig sind und die man daher als Sexworker, Betreiber einer Prostitutionsstätte und auch als Kunde/Freier kennen sollte!
„Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz der in der Prostitution tätigen Personen“
Das neue Gesetz wurde vom Deutschen Bundestag im Juli 2016 beschlossen, vom Bundesrat Ende September abschließend genehmigt und Ende Oktober 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Das Gesetz wird am 1. Juli 2017 Inkrafttreten und das deutsche Rotlicht-Gewerbe durch strenge Regulierungen und Auflagen maßgeblich verändern!
Eine momentan gerade angekündigte „Verfassungsbeschwerde“ wird die Einführung des neuen Gesetzes aller Voraussicht nach zeitlich nicht verhindern, daher muss jetzt von planmäßigem Inkrafttreten ausgegangen werden!
Politischer Paradigmenwechsel – Adieu Liberalität …
2002 wurde unter der rot-grünen Regierung in Deutschland ein erstes Prostitutionsgesetz eingeführt, das die Sittenwidrigkeit der Prostitution aufhob, Sexworkern den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen ebnen sollte und die Bereitstellung von Räumen für die Prostitution und aktive Anbahnunghilfen nicht mehr unter die strafbare Zuhälterei stellte. Das Gesetz war sehr liberal angelegt und eröffnete der Rotlicht-Branche umfangreiche Möglichkeiten.
Von Regulierung war nichts zu spüren und Deutschland entwickelte sich zum „Freudenhaus Europas“, wo nahezu alles möglich war, was in anderen Ländern der EU gesetzlich nicht erlaubt war. Aus Osteuropa kamen unzählige Sexworkerinnen nach Deutschland, FKK-Clubs schossen wie Pilze aus dem Boden und tabuarmer Flat-Rate-Sex wurde vielerorts zum Standard. Der zunehmende Preisverfall schockierte die etablierte Branche.
Menschenhandel, Ausbeutung und Zwangsprostitution waren Umstände, die den Gesetzgeber schon 2007 dazu brachten, über eine umfangreiche Regulierung der Sexbranche in Deutschland nachzudenken. Die Idee von einem möglichst „sauberen Rotlicht“ in Deutschland führte nun in 2016 zu einem neues Gesetz, das statt Liberalität und Selbstverwaltung nun das gesamte deutsche Rotlicht unter Kontrolle und Aufsicht stellt. Ein politischer Paradigmenwechsel, bei dem sicher nichts so bleiben wird, wie es einmal war!
1. Unbedingte Anmeldepflicht und Pflicht zur Gesundheitsberatung für alle Sexworker!
Ab dem 1. Juli 2017 müssen sich alle Sexworker / Prostituierte amtlich registrieren, egal ob die Sexarbeit „hauptberuflich“ oder nur „nebenbei“ ausgeübt wird. Die Anmeldepflicht gilt für alle Personen, die in Deutschland sexuelle Dienstleistungen gegen Geld erbringen. Dazu gehören neben den klassischen Prostituierten dann auch Escort-Ladies, Erotik/Tantra-Masseurinnen (die Happy End anbieten) und Dominas (die Kunden „berühren“).
Nach einer Pflicht-Gesundheitsberatung (beim Gesundheitsamt oder aber einer anderen beauftragten Stelle) erfolgt ein intensives amtliches Beratungs- und Informationsgespräch, bei dem die Lebensumstände der Antragsstellerin erkundet werden sollen, wo man auf Hilfsangebote verweist, soziale Sicherungsysteme vorstellt, steuerliche Plichten beleuchtet und nach Hinweisen auf Zwangsprostitution und Ausbeutung suchen wird.
Die Behörde prüft nachfolgend die Personalien anhand gültiger Papiere (Personalausweis/Pass), verlangt 2 Passbilder der Antragsstellerin, fragt nach, in welchen Gemeinden und Städten der Prostitution nachgegangen werden soll, und stellt, wenn keine Hemmnisse erkennbar sind, dann zeitnah eine Anmeldebescheinigung aus, die in Sexworker-Kreisen auch gerne als „Huren-Ausweis“ bezeichnet wird. Die Bescheinigung ist auch zusätzlich mit Pseudonym („Künstlername“) erhältlich, um privaten Daten zu schützen. Durch die Registrierung werden alle genannten Personen zu amtlich registrierten „Sex-Dienstleistern“ und dürfen der Prostitution fortan legal nachgehen!
Ohne erfolgreiche Registrierung darf zukünftig der Prostitution in Deutschland nicht mehr nachgegangen werden! – Die erstellte Anmeldebescheinung muss zukünftig bei Ausübung der Prostitution immer mitgeführt werden!
Personen, die sich nach dem 1. Juli 2017 für einen Einstieg ins Prostitutionsgewerbe entschließen, müssen die Gesundheitsberatung und die Anmeldung sofort erledigen. Alle, die schon vor dem Stichtag 1. Juli 2017 in der Prostitution tätig waren, haben aber bis zum 31. Dezember 2017 (gesetzliche Übergangsfrist) dafür Zeit!
Verstösse gegen die Anmeldepflicht werden mit Bussgeldern als Ordnungswidrigkeiten geahndet, sind also keine Straftat!
2. Konzessionierung und Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten (Bordelle, Clubs etc.)
Alle Prostitutionsstätten, worunter der Gesetzgeber grundsätzlich Bordelle, Sexclubs, Laufhäuser, Hostessen-Wohnungen, Love-Mobil-Parks und ähnliches versteht, benötigen ab
1. Juli 2017 eine behördliche Erlaubnis, um dem Gewerbe weiterhin nachgehen zu können. Um diese Erlaubnis zu erhalten, muss bei bereits bestehenden Betrieben bis spätestens 1. Oktober 2017 ein Betriebskonzept eingereicht werden, das unbedingt mit dem neuen Gesetz harmonieren muss. Ansonsten kann die Erlaubnis verweigert werden!
Ähnlich wie beim Gaststättengewerbe mit Alkoholausschank, werden die Betreiber und ihre Stellvertreter einer umfangreichen Zuverlässigkeitsprüfung unterzogen, wobei neben einem Auszug aus dem Bundeszentralregister auch Nachfragen bei diversen Polizei-Dienststellen erfolgen sollen, ob Ermittlungsverfahren anhängig sind oder waren.
Auch die Räume, die zur Prostitutionsausübung bereitgestellt werden, haben bestimmte Mindestvoraussetzungen zu erfüllen. Hier sind u.U. auch baurechtliche Vorschriften relevant, die bis zur Einführung des Gesetzes noch keine Rolle spielten. Dieser Aspekt ist besonders für Wohnungsbordelle interessant, die sich in vielen Fällen in Bereichen befinden, wo gewerbliche Prostitution nicht zulässig ist! – Das neue Gesetz sieht übrigens keinen „Bestandsschutz“ vor, was in vielen Fällen zu Überraschungen führen wird!
Als weitere Auflagen, haben die Betreiber umfangreiche Dokumentationspflichten nachzukommen, müssen Vereinbarungen mit Sexworkern schriftlich dokumentieren, dürfen diese nur bei vorhandener Anmeldung beschäftigen und haben jegliche Form von Ausbeutung, Wucherei und rechtswidriger Weisung zu vermeiden!
3. Konzessionierung und Erlaubnispflicht für Prostitutionsvermittler und Veranstalter
Als Prostitutionsvermittler gelten Escort-Services, die (auch) sexuelle Dienstleistungen ihrer Damen vermitteln. Auch die Vermittlung setzt eine amtliche Erlaubnis voraus, wobei ebenfalls Zuverlässigkeit der betreibenden Person und das Betriebskonzept überprüft werden. Zwar entfällt die baurechtliche Prüfung (mangels vorhandener Räume), dennoch ist ein umfangreicher Papierkrieg geradezu vorprogrammiert.
Besonders umständlich wird es für Veranstalter von „Prostitutionsparties“, die neben dem allgemeinen Konzept für jede einzelne Party unter Mitwirkung von Prostituierten eine Einzelfall-Erlaubnis (4 Wochen vor der jeweiligen Veranstaltung) beantragen müssen.
4. Kondompflicht, Einschränkung von sexuellen Praktiken und Werbeverbote
Für alle Sexworker, Betreiber, Veranstalter und Freier, gilt ab 1. Juli 2017 die Kondompflicht beim gewerblichen Geschlechtsverkehr, wobei sich dies auf alle denkbaren Varianten (oral, vaginal, anal) bezieht. Bei allen Praktiken sind unbedingt Kondome zu verwenden. In Bayern und im Saarland galt diese Regel schon lange, mit dem neuen Prostitutionsgesetz wird sie nun bundesweit eingeführt und besonders für Freier mit empfindlichen Bußgeldern bedroht: bis zu 50.000 € können für einen Verstoß verhängt werden!
Sex ohne Kondom und Sex mit Schwangeren darf ab 1. Juli 2017 nicht mehr beworben werden! – Auch übliche Kürzel wie AO, FO, FT werden untersagt!
Erotische Anzeigenportale werden entsprechende Werbung nicht mehr annehmen und auch auf der eigenen Homepage sollten solche Angebote dann nicht mehr enthalten sein, wenn man kein saftige Bußgeld kassieren möchte!
Ebenso werden Gangbang in der gewerblichen Veranstaltungsform und jegliche Flat-Rate-Sex-Angebote nicht mehr zulässig sein,
Dies ergibt sich aus den im neuen Gesetz enthaltenen Weisungsverboten für Betreiber sowie Veranstalter und dem verbürgten jederzeitigen Recht der Sexworker auf sexuelle Selbstbestimmung. – Diese speziellen Praktiken dürfen dementsprechend natürlich ebenfalls nicht mehr beworben werden!
Erotik-Werbeportale: Diese gelten übrigens nicht als Prostitutionsvermittler, da diese lediglich Anzeigen aufnehmen und im Auftrag des jeweiligen Kunden veröffentlichen!
5. Umfangreiche Datenerfassung und Datenweitergabe an Finanzbehörden
Neben den aufgeführten Anmelde-, Beratungs- und Konzessionierungspflichten, möchte ich noch besonders auf die umfangreiche Datenerfassung und die Datenverwendung hinweisen, die im Gesetzestext nicht besonders auffalllen, aber besonderen Sprengstoff enthalten:
Die Anmeldedaten der Sexworker werden in einer Art „Huren-Datenbank“ gespeichert, auf die Ordnungsämter und Polizeibehörden Zugriff haben. Nur so kann ja überprüft werden, ob eine Dame oder ein Herr wirklich registriert ist oder ob eine Anmeldebescheinigung womöglich gefälscht wurde. Natürlich sind solche Daten äußerst brisant, da immer die Möglichkeit besteht, das jemand die Daten zweckentfremdet und diese dadurch womöglich öffentlich zugängig werden!
Was die Steuer anbelangt, erweist sich der Gesetzgeber als besonders innovativ, indem er die verpflichtende Weitergabe der Meldedaten an die zuständigen Finanzämter direkt ins Gesetz schreibt. So sollen die Finanzbehörden beim Auffinden neuer „Steuerpflichtiger“ unterstützt werden und man will die „unglaubliche Steuerhinterziehung“ im Rotlicht-Gewerbe auch mit Hilfe des neuen Gesetzes wirksam bekämpfen!
Kontext-Themen für Sexworker / Prostituierte:
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/2016/09/02/sexuelle-dienstleistungen/
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/2016/10/30/regeln-fuer-protituierte/
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/2016/10/30/prostituierte-huren-ausweis/
Kontext-Themen für Betreiber von Prostitutionsstätten:
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/2016/10/29/definition-prostitutionsgewerbe/
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/2016/09/02/mindestanforderungen-an-prostitutionsstaetten/
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/2016/09/29/erlaubnispflicht-und-konzessionen/
Kontext-Thema Beratung:
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/die-beratung-zum-neuen-prostituionsgesetz/