Sexarbeit als Arbeitsplatz – Vortrag Howard Chance – TUM München

Sexarbeit als ArbeitsplatzSexarbeit als Arbeitsplatz – Vortrag Howard Chance – TUM München

„Betrachtungen zur käuflichen Lust in Deutschland“ by Howard Chance

Zu Beginn meines Vortrags danke ich Professor Hugo Kehr herzlich für die Einladung, die ich bereits zum dritten Mal gerne annehme … und möchte mich kurz vorstellen:

Man kennt mich in der deutschen Rotlicht-Branche unter dem Künstlernamen „Howard Chance“ – bürgerlich „Marcus Heinbach“. Ich im kommenden Monat Mai mein 55. Lebensjahr vollenden. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit für die Treuhandanstalt beim „Aufbau Ost“ in den 1990er-Jahren“ arbeitete als Subunternehmer einer bekannten deutschen Unternehmensberatungsgesellschaft, war ich seit der Jahrtausendwende zunächst Marketingleiter und später Geschäftsführer einer Unternehmensgruppe in NRW, die „Lifestyle-Events“ im Bereich Swinger, Fetisch und SM veranstaltete und darüber hinaus Rotlicht-Immobilien verwaltete und vermietete.

Nach einem spektakulären Milieu-Brandanschlag im Jahr 2013, den ich nur mit sehr viel Glück unverletzt überlebte, beschloss ich, es zukünftig etwas ruhiger und vor allem sicherer angehen zu lassen: ich wechselte aus dem „erotischen Showgeschäft“ wieder in die Beraterbranche. Ich gründete mit „MH-Consulting“ meine Beratungsgesellschaft für das Rotlicht-Gewerbe, es ergaben sich umfangreiche Beratungsaufgaben, die mir für einige Jahre einen „streunenden – weil reisenden – Lebenswandel“ bescherten.

Bereits Ende 2016 – also ein halbes Jahr bevor das neue Gesetz in Kraft trat – veröffentlichte ich mit „Prostitutionsgesetz 2017 – Todesstoß für die Rotlicht-Branche?“ ein informatives Fachbuch für die Branche. Darauffolgend war ich deutschlandweit auf Reisen. Ich informierte vornehmlich Unternehmen – aber auch interessierte Dienstleisterinnen – über die Inhalte des neuen Gesetzes.

„Ha, der geht jeden Tag in den Puff und bekommt auch noch Geld dafür“ und „nach der Beratung geht es dann fröhlich auf die feuchte Matte“ …

so unkte mein persönliches Umfeld und auch meine „anständigen Eltern“ waren von der neuen Tätigkeit nicht sonderlich begeistert. Rotlicht hat halt „einen besonderen Beigeschmack“.

Was für „Unwissende“ nach erotischem Spaß und „Nackte Weiber gucken“ klang, entwickelte sich zu umfangreicher Arbeit. Es ging um Analysen, rechtliche Bewertung, um die Modifikation Betriebsabläufen. Bis heute verfasse ich im Kundenauftrag Betriebskonzepte für Bordellbetriebe, kümmere mich um bau– wie ordnungsrechtliche Probleme der Kundschaft und habe natürlich besondere Einblicke, die „Nicht-Eingeweihten“ für gewöhnlich verwehrt bleiben.

Ernste Themen wie Steuer und Buchhaltung waren – und sind – im Rotlicht nicht sonderlich populär. Viele Betreiberinnen und Betreiber – aber auch die erotischen Dienstleisterinnen selbst – fühlen sich im „nicht-regulierten Graubereich“, wo man sich die Taler bar in die Tasche deutlich wohler als in geordneten Strukturen, die den Gewinn merklich schmälern und die Pflichten auferlegen, auf die man gut verzichten kann.

„Black money is beautyful!“ … „Wir Rotlicht-Leute handeln nach unseren eigenen Gesetzen! Basta!“

Flotte Sportwagen, protziger Goldschmuck und bei den Damen der legendäre MCM-Hurenkoffer „anno 1990“ – waren Sinnbilder für das Gewerbe und auch die in der Wiese vergrabenen 500-Euro-Bündel hatten als „Geldreserve für harte Zeiten“ durchaus Tradition.
Die Rotlicht-Akteure: ein umtriebiges Völkchen, das „sehr speziell“ denkt und handelt, Bürgerinnen und Bürger, die das Finanzamt und die Polizei scheut wie der Teufel das Weihwasser. – Klischee oder Realität? – Von beidem ein bisschen … Mein Resümee: Im Gewerbe wird es selten langweilig!“

Was ist eigentlich Prostitution und in welcher Art und Weise wurde und wird das Gewerbe ausgeübt?

Zur Geschichte der Prostitution gibt es eine soziologische Geschichtsschreibung, die ich im Rahmen meines Vortrags aber nur bruchstückhaft „anreißen“ kann.

Schon seit „Adam und Eva“ spielen „Eros et Amore“ eine wichtige Rolle im menschlichen Zusammenleben. Sexualität als Trieb, der vornehmlich der Fortpflanzung dienen soll, aber – wie wir alle wissen – auch andere Begehrlichkeiten weckt.

Die „Lust“ ist durch hormonelle Disposition etwas ungleich verteilt: statistisch und medizinisch bewiesen ist, dass Männer in der Regel viel triebhafter als Frauen sind und das der „Paarungsgedanke“ beim Mann sehr viel stärker ausgeprägt ist. Das „Geben“ ist stärker als das „Nehmen“ und nicht jeder Schuss wird bei der Fortpflanzung zum Treffer. Viele Schüsse sind daher genetisch betrachtet geradezu notwendig!

Die „Geilheit“ des Mannes sichert unseren Fortbestand, Männer „wollen öfter“ und – so die Programmierung – auch mit mehreren Sexualpartnern. In der geschichtlichen Frühzeit gab es keine „Gleichberechtigung“, „die Frau war dem Manne untertan“ und „die Pflicht zur Teilnahme am Beischlaf“ wurde gesellschaftlich nicht in Frage gestellt.

Männliche Neandertaler – später auch Wikinger und Hunnen – waren keine aufgeklärten Schöngeister, sondern vielmehr „prägnante männliche Ansager“, die ihren Willen auch mit Gewalt durchsetzten. Dass es parallel dazu vermutlich auch die „freundliche Partnerumwerbung – traditionelles Buhlen mit Geschenken“ gab, wollen wir dabei einmal hoffen.

Prostitution historisch betrachtet

Im mesopotamischen Reich etwa 3.000 vor Christus gab es Tempeldienerinnen, die sexuelle Dienstleistungen in Zusammenhang mit Fruchtbarkeitskulten und Gottheiten-Opfern anboten.

Bereits 1.800 vor Christus war Prostitution im alt-babylonischen Reich – also im Orient – gesellschaftlich fest institutionalisiert. Es gab zum einen Sklavinnen und Sklaven, die „stets dienstbar“ zu sein hatten, zum anderen aber auch „freie nicht versklavte Dienerinnen“, die für ihre erotischen Dienstleistungen entlohnt wurden.

In der römischen und griechischen Antike – etwa 800 vor bis 500 nach Christus – wird in Schriften von Sklavinnen und Sklaven berichtet, die als „Leibeigene“ auch zur persönlichen Befriedigung der „Herrschaften“ „benutzt“ wurden. Die Befriedigung sexueller Gelüste galt als Naturrecht und das Recht wurde ausgeübt, ohne nach einer Moral zu fragen. Dienstleisterinnen der damaligen Zeit befanden sich in sehr ambivalenten „Klassen“: es gab privilegierte „Hetären“ und „Kurtisanen“, die ihre Kundschaft zunächst mit Kunst, Tanz und Flötenspiel überzeugten, aber auch dem „gut bezahlten Geschlechtsverkehr“ nicht abgeneigt waren. Diese Damen waren „frei“ und „geschätzt“, während wir es in der „unteren Klasse der Prostitution“ mit Bordellsklaverei der üblen Form zu tun haben, wo der Alltag aus „Sodom und Gomorrha“ bestand.

Nicht nur Frauen waren im frühen Rotlicht tätig, in der Antike war auch der gleichgeschlechtliche Sex absolut kein Tabu und gerade in Griechenland waren knackige vermutlich minderjährige Knaben klares Ziel der erotischen Begierde.

Das sogenannte Mittelalter (die Zeitspanne zwischen antiker Zeit und der Neuzeit – datiert etwa 500 bis 1500 nach Christus) veränderte vieles und zwar maßgeblich durch die „Entwicklung“ des christlichen Glaubens, der nicht nur zu Kreuzzügen führte, sondern auch die Moral veränderte. Die „Nächstenliebe der Bergpredigt“: erst einmal Fehlanzeige. Primär ging und geht es bei der Institution Kirche um Macht, Geld und Herrschaftsansprüche. Im Bereich der Prostitution waren in deutschen Gefilden Magistrate und sogar Kirchenbrüder Betreiber von sogenannten „Frauenhäusern“: Vorsicht! Nicht etwa, was man heute unter einem Frauenhaus versteht, nämlich ein anonymer geschützter Ort für weibliche Opfer von Gewalt, sondern Bordelle, die der organisierten regulierten Prostitution dienten, mit denen man das Gewerbe „kasernierte“ und mit denen natürlich auch „Kasse gemacht wurde“.

Die „Sexsteuer“, die es inzwischen als besondere Form der „Vergnügungssteuer“ – seit Beginn des Jahrtausends – in vielen deutschen Städten wieder gibt, ist also gar keine Erfindung der „Neuzeit“, sondern lediglich die Wiederbelebung eines einträglichen Musters aus früheren Zeiten.

Die „städtischen Freudenhäuser“, in denen vermutlich eher die Freier und die Betreiber „Freude empfanden“, wurden von „ernannten Frauenwirten“ geleitet, die in vielen Fällen in Personalunion auch den anrüchigen Job des städtischen Henkers ausübten! Eine gewisse „Rustikalität“ war nicht hinderlich, sondern die Basis für den Erfolg in beiden Geschäftsfeldern! – Die mittelalterlichen Zuhälter waren zwar „frei“, aber „keine ehrbaren Bürger“, durch den Job durchaus vermögend, aber dennoch „Aussätzige“ der Gesellschaft, die an bestimmten Veranstaltungen – wie kirchlichen Festen – nicht teilnehmen durften.

Die Dienstleisterinnen hatten nach einer „Frauenhausordnung“ – ohne Ansehen der Person – eine vorgegebene Anzahl an Kunden – zu festgelegten Tarifen zu bedienen. Die Bezeichnung „allgemeine Weibsleute“ – Weiber die allgemein zur Verfügung stehen – macht deutlich, wie unromantisch das damalige Berufsbild war. Die Verteilung der Gewinne ging oft zu Ungunsten der Arbeiterinnen aus. Über gesundheitliche Aspekte mag man gar nicht nachdenken. Viele Dienstleisterinnen werden mangels Hygiene und durch grassierende Geschlechtskrankheiten nicht sonderlich alt geworden sein.

Ausgewaschene Ziegenblinddärme und eingesalzene Leinensäckchen waren die improvisierten Vorläufer der Kondome; wirksame Medikamente gegen Bakterien und Viren gab es nicht. Oft breiteten sich Syphilis und Tripper epidemisch aus und die Freudenhäuser waren Brutstätten der Seuchen.

Neben den offiziellen und sogar bekleidungstechnisch stigmatisierten Damen im Frauenhaus, erkennbar am farbigen „Frankfurter Rocksaum“ oder durch markante bunte Einstecktücher – Erkennungszeichen wie ein Judenstern – gab es auch „freischaffende Dirnen“, bei denen es sich der Überlieferung nach um unverheiratete oder verwitwete Damen handelte, die ihren Lebensunterhalt – freundlich formuliert – durch „Sex mit verschiedenen Männern“ verdienten.

Wenn man bedenkt, dass es keine Sozialversicherungen gab, blieb den Dirnen mitunter keine andere Wahl. Das mittelalterliche Leben war nicht einfach und gesundheitlich sehr riskant. Auch den unverheirateten alleinstehenden Männern blieb nur die Dirne oder das Freudenhaus, um den Geschlechtstrieb – dann und wann – rudimentär – zu befriedigen.

Bordelle – von französisch „Bretterhütte“ – welch entzückender Begriff – gab es im Mittelalter in nahezu jeder größeren deutschen Stadt. Ungeliebt, aber gut besucht.

Das „kleinere Übel“, wie die katholische Kirche postulierte, während der Reformator Martin Luther befand, dass „Huren des Teufels seien“. Etliche „garstige Weibsbilder“ gerieten unter die Fittiche der „Heiligen Inquisition“ und endeten wegen „erotischer Hexerei“ auf dem Scheiterhaufen.

Haben Sie schon einmal von „Wanderhuren“ gehört? Die Ritter und Heere des Mittelalters wurden von reisenden Huren begleitet, bei kirchlichen Konzilen wurden käufliche Damen „gedungen“, die ihre Dienstleistungen auch der Geistlichkeit offerierten. Bigotterie par excellence! Dass es sowohl beim Militär wie beim geistlichen „Unheiligen Stuhl“ professionelle Anwerber – Rittmeister – gab, steht historisch außer Frage. Mit Sex und dessen Vermittlung ließ sich schon immer gutes Geld verdienen. Die galt „gestern“ und gilt noch „heute“!

Zeitsprung

Im Jahre 1794 wurde im „Preußischen Allgemeinen Landrecht“ festgelegt, dass sich „liederliche Weibspersonen […] in die geduldeten beaufsichtigten Hurenhäuser“ zu begeben hätten. Als „liederliche Weibspersonen“ galten Frauen, Zitat: „welche mit ihrem Körper ein Gewerbe betreiben“ wollten. Jegliche „freie Prostitution“ wurde nicht geduldet, sondern „verfolgt“!

Im „Bremer Reglement von 1852“ wurde festgelegt, dass die Prostitution „kein Gewerbe im eigentlichen Sinne sei“. Dadurch wurde die Sittenwidrigkeit unmittelbar juristisch verankert.

Das Strafgesetzbuch des Deutschen Kaiserreichs von 1871 verbot Bordelle und die „gewerbsmäßige Unzucht“. Es drohte jedoch nur dann eine Strafe, wenn sich eine Frau außerhalb polizeilicher Aufsicht prostituierte. Frauen des Gewerbes mussten sich regelmäßig polizeilich melden und es wurden – mit deutscher Gründlichkeit – bei der Sittenpolizei „Hurenregister“ angelegt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt Prostitution in Deutschland weiterhin als sittenwidrig und „gemeinschaftsschädlich“. Bordelle und Bordellstraßen gab es weiterhin. Prostitution wurde 1923 sogar per Erlass von der Steuer befreit, da „körperliche Hingabe einer Frau keine Tätigkeit – im Sinne des Steuerrechts – sei“. Aber bereits 1943 wurde die Steuerpflicht dann doch wieder eingeführt, weil … „Geld nicht stinkt und öffentliche Kassen stets gefüllt werden müssen.“

Im Deutschland der Nachkriegszeit (also nach 1945) war Prostitution an sich weder legal noch illegal, aber weiter sittenwidrig. Die grundsätzliche Gemeinschaftsschädlichkeit wurde durch ein Urteil des Bundes-verwaltungsgerichts von 1965 neuerlich bestätigt. Prostitution wurde sogar mit der „Betätigung von Berufsverbrechern“ gleichgestellt. Das Geschäft wurde aber nicht unterbunden, da ein erkennbarer Bedarf bestand. Es wurden verpflichtende gesundheitliche Untersuchungen für die Damen des Gewerbes eingeführt, was man mit dem Begriff des „amtlichen Bockscheins“ assoziiert.

In der Folge des „Wirtschaftswunders“ entwickelten sich florierende Rotlicht-Geschäfte. Der vermeintliche „Schmuddel“ fand offiziell wenig Beachtung, wurde toleriert, wenn sich die Exzesse denn einigermaßen in Grenzen hielten. Es entstanden große Vergnügungsviertel wie auf St. Pauli, am Frankfurter Bahnhof und am Steintor in Hannover. Unzählige Nachtbars eröffneten mit eigentlich nicht erlaubten Prostitutions-Angeboten im Hinterzimmer, Privatclubs und „Steigen“ entstanden, „erotische Hostessen“ und „Mannequins ohne Kleider“ suchten schließlich mit Zeitungsannoncen offensiv nach Kunden, die in Hotels und in Privatwohnungen empfangen wurden.

Der „Zwischenhandel“ – die zur Verfügungstellung von Räumen für sexuelle Dienstleistungen und die Vermittlung von Dienstleisterinnen – wurde zum einträglichen Geschäft, obwohl solches „Treiben“ nach dem Zuhälterei-Paragrafen des StGB und dem Verbot der Kuppelei strafbar war und mit Gefängnisstrafe geahndet werden konnte.

In meiner späten Jugend, etwa Mitte der 1980er-Jahre, hatte ich erste Kontakte zum Rotlicht und war ein interessierter Beobachter der Szene, die auf mich einen besonderen Reiz ausübte. Ich war bereits mit 16 Jahren regelmäßiger Besucher von „Swingerclubs“, in denen aber nicht nur passionierte Swinger, sondern auch „späte Mädchen“ aus der Rotlicht-Szene anzutreffen waren, die als „Hausdamen“ für pauschale Schwarzbezahlung den „Herrenüberschuss“ bändigten und sich so ein gut belegtes Zubrot verdienten.

Neben den Großstadtbordellen, die ich in Kölner „Pascha“ und im Frankfurter Bahnhofsviertel kennenlernte – in Frankfurt „schafften“ in den 1980er und 1990er-Jahren bis zu 800 Damen gleichzeitig in etwa 20 Bordellen an – , gab es unzählige Modellwohnungen in Wohnhäusern und später – etwa zur Jahrtausendwende – innovative „FKK- und Saunaclubs“, in denen nackte Tatsachen und besondere Wellness angeboten wurden. – „Flatrate-Bordelle“, wo man für 100 € so viel Sex haben konnte, wie es die Potenz denn hergab, waren eine besonders geschmacklose „Ausuferung“.

Während der „Erotikmarkt“ in den 1970er und 1980er-Jahren noch „sehr deutsch war“, rund zur Hälfte aus deutschen Dienstleisterinnen und Betreibern bestand, änderten sich die Verhältnisse durch die „EU-Ost-Erweiterung“ merklich. 2004 traten u.a. Polen, die Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn der EU bei, 2007 folgten Bulgarien und Rumänien. In der Folge kamen immer mehr Damen aus den neuen Mitgliedsstaaten „legal“ nach Deutschland, um ihr Glück im Rotlicht zu versuchen. Der Markt war weitestgehend unreguliert und unkontrolliert. Das Angebot überstieg die Nachfrage, Dumpingpreise wurden zur Regel, was die deutschen Dienstleisterinnen, die vormals gute Umsätze gewöhnt waren, böse erwischte.

Sex zum Super-Spar-Tarif, Sex ohne Kondom und der Flatrate-Verkehr hatten schwerwiegende Folgen für das prostitutive Gesamtgefüge und natürlich gab es neben der „freiwilligen Sexarbeit“ auch jede Menge neue Armutsprostitution und leider auch „gesteuerte Prostitution“, die man mit dem Begriff „Menschenhandel“ in Verbindung bringen kann.

Dass Deutschland bereits zu Beginn des Jahrtausends in den Medien als „Bordell Europas“ bezeichnet wurde, kam für den kennenden Betrachter nicht überraschend. Wenn durch eine zu liberale Politik „alles möglich“ ist, hat „der Markt“ wenig Hemmungen die „Ware Sex“ offensiv an den Mann zu bringen, weil ja keine „Ressentiments“ drohen.

Im Jahr 2002 wurde unter Rot-Grün (in der Koalition Schröder-Fischer) das erste ProstG – Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten eingeführt. Damit wurde die Sittenwidrigkeit der Prostitution abgeschafft, der sogenannte „Hurenlohn“ konnte nun wirksam eingeklagt werden. Den Sexdienstleisterinnen sollten auch Wege in die Sozialversicherung geebnet werden. Zumindest letzteres scheiterte krachend, da sich die Dienstleisterinnen nicht gegenüber den Krankenkassen „outen wollten“, wo die Anmeldung auch die unangenehme Frage nach den Umsätzen beinhaltet. Auch die theoretisch nun bestehende Möglichkeit als „angestellte Prostituierte“ zu arbeiten, war und ist mit dem gängigen Arbeitsrecht kaum zu vereinbaren, da die Stundenlöhne vom gezahlten Hurenlohn so extrem abweichen, dass sich daraus keine Arbeitsverträge mit Bestand basteln lassen.

An der Gesamtsituation der Branche änderte das neue Gesetz von 2002 nichts! Es dauerte noch 15 Jahre, bis der Gesetzgeber im Jahr 2017 mit dem „ProstSchG – Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“ neuerlich aktiv wurde. Es kam zu einem staatlich verordneten „Paradigmenwechsel“, der im Milieu für große Unruhe sorgte.

Das Ziel des ProstSchG

Durch das ProstSchG ist die Arbeit als Prostituierte in Deutschland nur erlaubt, wenn sich die jeweilige Person nach einem Gesundheitsberatungsgespräch amtlich registriert und von der zuständigen Behörde eine Anmeldebescheinigung – den sogenannten „Hurenpass“ – erhält. Diesen können nur EU-Bürger erhalten und die Pass-Ausstellung hat zur Folge, dass die innehabende Person auch bei anderen Ämtern, wie z.B. dem Finanzamt durch Datenweitergabe „bekannt“ wird und bei der jährlichen „Steuersammlung“ unangenehmerweise berücksichtigt wird.

Offizielle Bordellbetriebe, also solche, die eine amtliche Erlaubnis besitzen, dürfen Personen, die keinen Hurenpass besitzen, in ihren Betrieben nicht arbeiten lassen. Die Strafen bei Zuwiderhandlung sind hoch und können im Widerholungsfall zur amtlichen Schließung des Betriebs führen.

Für das Betreiben eines Prostitutionsgewerbes (hierzu zählen u.a. Bordelle, bordellartige Betriebe, Modellwohnungen, Escortservice, Prostitutionsfahrzeuge und Prostitutions-veranstaltungen) ist seit 2017 eine amtliche Konzession – Betriebserlaubnis – erforderlich. Man muss detailliert darlegen, wie man sein Gewerbe betreibt. Übervorteilung der Sexworkerinnen und „Mietwucher“ sind verboten, angebotene Räumlichkeiten müssen gesetzliche Mindeststandards einhalten und über wirksame Alarmsysteme vorhalten.

Einschlägig vorbestrafte Personen dürfen kein Bordell betreiben; leitende Mitarbeiter müssen über ein möglichst sauberes Führungszeugnis verfügen. Weisungen gegenüber den Sexarbeiterinnen sind verboten und Sexarbeiterinnen müssen im Vergleich zum Betreiber prozentual immer den größeren Anteil vom Kuchen erhalten. Den Ertrag aus einem Sexgeschäft 50 zu 50 zu teilen ist – obwohl oft praktiziert – nicht legal. Bei 51 zu 49 ist es dann OK. Alle Geschäftsvorgänge sind transparent aufzuzeichnen und diese Papiere sind den zuständigen Behörden auf Verlangen jederzeit zur Prüfung vorzulegen.

Das ProstSchG von 2017 schreibt eine strikte Kondompflicht vor. Außerdem darf Sex mit Schwangeren nicht mehr beworben werden. Der Hinweispflicht auf die Kondompflicht kommen die Betreiber in der Regel mit Schilderaushang nach, was dann aber hinter der verschlossenen Tür zwischen Kunde und Dienstleisterin stattfindet, entzieht sich jeglicher Kontrolle und mit ein paar Extra-Dollars entsteht oft eine „gänzlich latexfreie Zone“.

Wie funktioniert das Prostitutionsgeschäft in der heutigen Zeit konkret?

Was ist eigentlich Prostitution? – Nach der Definition des ProstSchG ist Prostitution der Vollzug einer sexuellen Handlung gegen „Entgelt“, wobei dieses Entgelt nach den Rechtskommentaren aus Geld, aber auch aus sonstigen geldwerten Vorteilen bestehen kann. Wenn ich z.B. von jemandem zu einem Urlaub eingeladen werde, diese Person alle Kosten bezahlt und ich mich im Gegenzug dazu verpflichte für „sexuelle Unterhaltung des Gönners“ zu sorgen, haben wir es strenggenommen mit einem Prostitutions-Geschäft zu tun, das dem Gesetz unterliegt.

Auch so manche Ehe kann man als besonders teure Sonderform der Prostitution bezeichnen: in den 1980er-Jahren war „Lea-Sing“ – die Heirat von jungen Thailänderinnen durch alte weiße Männer – ein spaßiger Begriff, der aber einen durchaus ernsten Hintergrund hatte. Frauen – aber auch Männer – aus der 3. Welt ließen sich auf fragwürdige Beziehungen ein, um sich wirtschaftlich zu verbessern oder der heimatlichen Armut zu entkommen. Dass vom einheimischen Geschäfts- bzw. Ehepartner sexuelles Entgegenkommen erwartet wurde, muss nicht gesondert erwähnt werden.

Ehen waren noch vor hundert Jahren „Vernunftabkommen“, um Töchter versorgt zu wissen. Leidenschaft und Romantik spielten eine sehr untergeordnete Rolle und auch hier kann man – ohne direkt böswillig zu sein – eine „Art von Prostitution“ unterstellen, wobei eine ausgeprägte Erotik – mangels Zeit und Muße – wohl selten stattfand: „Beutel leer … und gut!“

Welche Gruppen von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern gibt es eigentlich? – Eine grobe Schematisierung:

Grundsätzlich unterscheiden wir 2 Gruppen, bei denen sich eine für den Betrachter geradezu „plakative Gegensätzlichkeit“ unschwer erkennen lässt.

Gruppe 1 bilden freie selbstbestimmte Prostituierte, Frauen und Männer, die sich bewusst dafür entschieden haben, der Prostitution – in welcher Form auch immer – nachzugehen. Diese Personen gibt es in allen Bereichen der Sexarbeit, auch wenn die Freiwilligkeit von Außenstehenden oft zu Unrecht angezweifelt wird.

Gruppe 2 (quasi die Antipode) besteht aus vulnerablen „abhängigen Prostituierten“, die durch Armut und Not oder sogar durch äußeren Zwang und Menschenhandel in die Sexarbeit kamen und deren „Unfreiwilligkeit“ durchaus erkennbar ist. Unfreiwillig bedeutet aber im juristischen Sinne nicht unbedingt, dass eine Straftat vorliegt und jemand bestraft werden kann.

Auch Personen aus Gruppe 1 – frei, selbstbestimmt – mögen ihren Job nicht grundsätzlich gerne und dann und wann sind die Grenzen zwischen den Gruppen auch fließend. Echte „Nymphomaninnen“ sind in der Branche selten, aber die Gruppe der Personen, die mit Sexualität und der eigenen Prostitution kein großes Problem haben, ist nach meiner Beobachtung größer als man denkt. Zum Thema der diesbezüglichen unterschiedlichen „Moral“ kommen wir später, wenn wir uns ein wenig mit ethischen Fragen beschäftigen.

Der Anteil der „nicht-deutschen Sexarbeiter“ liegt nach aktuellen Schätzungen bei rund 70%. Die meisten der zurzeit aktiven Dienstleisterinnen kommen aus Rumänien und Bulgarien. Mit „Hurenpass“ angemeldet sind Stand Frühjahr 2023 zwischen 60.000 und 70.000 Personen. Vermutlich wird eine ähnlich große Zahl zusätzlich „nicht-angemeldet“ und damit „illegal“ tätig sein.

Schätzungen von 400.000 Prostituierten in Deutschland halte ich für maßlos übertrieben, aber 150.000 könnten es realistisch sein, wenn man auch die Gelegenheits- oder Teilzeit-Prostituierten mitzählt und diverse Sugardaddy-Verhältnisse hinzuaddiert.

Die Anzahl der „bekannten prostitutiven Betriebe“ (also Bordelle, Clubs, Wohnungen – von groß bis klein) liegt in Deutschland bei etwa 2.000; auch hier gibt es eine hohe Dunkelziffer an „Graubetrieben“, die im Verborgenen agieren und sich eben nicht zählen lassen.

Prostitution ist nicht gleich Prostitution – Welche Formen gibt es?

In Bahnhofslaufhäusern und auf dem Straßenstrich gibt es die schnelle Nummer für 20 bis 30 Euro. Hier geht es um Masse statt Klasse! Der fixe Quicky und man ist – Schwupps – nach wenigen Minuten schon wieder vor der Tür. Im normalen Wohnungsbordell oder bei der privaten Hausfrau von nebenan ist man ab 50 € dabei und es wird schon etwas gemütlicher.
Im gehobenen Privatclub oder im FKK-Saunaclub sollte man mindestens 100 bis 150 € dabeihaben, um Spaß zu haben: 50 Euro Eintritt inklusiv Softdrinks, Imbiss und Getränken, Langzeitaufenthalt, Sauna und 2-mal das „20 min“ Zimmer. In Topadressen oder im High-Class-Escort sind 500 bis 1.000 € anzusetzen, wenn man die „Hochzeitsnacht“ bucht oder besondere Vorlieben hat.

Geiz macht die Dienstleisterinnen im Erotikgewerbe sicher nicht geil und hier gibt es eben einen gewaltigen Unterschied zwischen dem „schnellen Abspritzen“ und dem „exklusiven Erotikdate“ mit Stil und Klasse.

Prostitution gibt es in erotischen Massagesalons, in Bordellen, Laufhäusern, FKK-Clubs, in Hostessenwohnungen sowie in Wohnungsbordellen. Es gibt SM-Studios, Swingerclubs mit „Berufsswingerinnen“, Sex-Kinos mit frivolen Platzanweiserinnen, Haus- und Hotelbesuche durch Escort-Damen und vermeintlich geile Hausfrauen, Prostitutionsveranstaltungen mit Gangbang, Sexwohnwagen (Herzchen Mobile) und den Straßenstrich.

Auch der Bereich der Sexualbegleitung, wo ältere oder behinderte Menschen von spezialisierten Dienstleisterinnen in Heimen oder im häuslichen Umfeld besucht werden, hat seine Berechtigung und genießt in der Gesellschaft ein deutlich besseres Ansehen als es bei der üblichen Sexarbeit der Fall ist.

Mal geht es um körperliche Nähe oder Massage mit manueller Entspannung, mal um Hochleistungs-Ficksport; es gibt den Otto-Normal-Kunden, der mit der Missionarsstellung zufrieden ist und beim „Blasen“ selbstverständlich ein Kondom verwendet, es gibt aber auch den „Hardcore-Freier“, der alles ohne Gummi verlangt und seine vollzogenen Perversionen gerne in Internet-Foren teilt. Die Anzahl der „Natursekt-Konsumenten“ ist beträchtlich und in den wenigen verbliebenen professionellen SM-Studios werden „bizarre Spiele“ veranstaltet, die dem Normalbürger bisweilen den Appetit verderben und gesundheitlich äußerst bedenklich sein können.

Über all diesen – in Anführungsstrichen – „erotischen Betätigungen“ schwebt der gesetzliche Rahmen des ProstSchG, in der Praxis lässt man die „Fünf aber oft gerade sein“, da die Behörde ja nicht permanent unter dem Bett liegt und „das Verborgene“ in der Regel eben verborgen bleibt.

Der Versuch Prostitution zu versachlichen, eine Wissenschaft daraus zu machen, schadet dem Geschäft. Prostitution muss zumindest ein Stück weit „verrucht“ und „schmutzig“ sein, da sonst die animalischen Instinkte der Kunden nicht angesprochen werden.

Das Rotlicht ist für sein „faltenfreundliches Licht“ bekannt. Was die „Schönheit“ der Dienstleisterinnen und deren Bedeutung für gute Umsätze anbelangt, tut sich erstaunliches auf: nicht die hübschesten Mädels verdienen das beste Geld, sondern die Damen, die einen besonderen Service bieten und darüber hinaus „emphatische Fähigkeiten“ besitzen. Ein großer Busen ist selten ein Hindernis, aber wichtiger ist die „Schauspielkunst“, mit der der man sich auf den Kunden einstellt und ihm die Illusion verkauft, die er erleben möchte. Wenn sich Schönheit und Empathie paaren, tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf.

Viele Gäste – böswillig auch „Freier“ genannt – negieren übrigens die Tatsache in den Puff zu gehen und reden sich gerne ein „ein besonderer Gast“ zu sein oder die Dienstleisterin als Art Freundin gewonnen zu haben. Man zahlt nicht für den Sex, sondern quasi nur den entstandenen Verdienstausfall. Ich mache mir die Welt, so wie sie mir gefällt! – Bloß kein Outing als „praktizierender Puffologe“.

Das Wort „privat“ ist ein mächtiges Pfund: Heiße Hausfrau sucht privat, Privatclub. Privates Date. – Private Treffen sind nach der Logik der Gäste „privat“, obwohl man genauso oder sogar mehr Geld bezahlt wie im blinkenden Bordell. Man war nicht im Puff, sondern hat „privat“ eine Frau – allerdings mit Geld – erobert. Absurd, aber ein gängiges Gedanken-Modell der „freienden Schar“.

Auch der „Sugardaddy“, ein vermögender Herr, der eine „Studentin“ regelmäßig mit Zuwendungen unterstützt, ihr die Wohnung bezahlt oder ein Auto zur Verfügung stellt und dafür schon mal „ran darf“, sieht sich nicht als „Hurenbock“, sondern als väterlicher Freund mit den besten Absichten. Wenn „der gekaufte Hase“ dann später rebelliert, ist Unmut vorprogrammiert.

Sich selbst als Sexarbeiterin „gewinnbringend“ zu verkaufen, setzt eine gewisse Intelligenz voraus und dabei spielen Bildung und besonders Sprache – die vielen Damen aus dem „unteren Segment“ zwangsläufig fehlt – eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die sexuellen Fähigkeiten und die damit verbundene „Offenheit“ sollten vorhanden sein, der Verkauf der Illusion findet aber häufig auf einer ganz anderen Ebene statt.

Stammkunden gewinnt man über emotionale Abhängigkeit. Es muss nicht „wahre Liebe“ sein, aber eine „geschürte Emotion“ ist förderlich und wie man erfolgreich „schürt“, ist das besondere Geheimnis besonders erfolgreicher Dienstleisterinnen. Böse Zungen sprechen von „psychologischer Kriegsführung“, aber diese sorgt regelmäßig für große Erfolge.

Das „temporäre Ende“ der persönlichen Prostitutionsarbeit – Puff-Rente – der Ausstieg aus jahrelanger Prostitution – erfolgt sehr oft durch Heirat mit einem ehemaligen Kunden. Wenn die Geschäfte im Alter nicht mehr laufen und sich Stagnation ankündigt, bedarf es einer solchen privaten „Rentenversicherung“. Wenn es denn passt … oder passend gemacht werden kann.

Die „Corona-Emanzipation“ der Huren

Von 2020 bis 2022 war die „Corona-Pandemie“ unser stetiger Wegbegleiter. Masken und Abstand, Separation und auch schon mal Hysterie. Im Bereich der Sexarbeit, bei der es nun mal sehr „körpernah zugeht“, war Corona eine besondere Katastrophe. Bordelle mussten über lange Zeiträume geschlossen bleiben und es wurden sogar zeitweilig „Prostitutionsverbote“ verordnet. Die Ordnungsbehörden waren spaß frei und patrollierten in den offiziell bekannten Rotlicht-Bezirken. Viele Sexarbeiterinnen, die nicht in den Genuss von Corona-Hilfen kommen konnten, mussten die Corona-Regeln brechen, um nicht die eigene Existenz zu gefährden. „Risky business!“

Die Zimmeranmietung in Bordellen war nicht möglich, da diese ja geschlossen waren. Also suchte man nach Alternativen und fand diese in „möblierten Appartements auf Zeit“, „AirBnB-Offerten“, Ferienwohnungen und in Hotels, die – durch Corona gebeutelt – plötzlich zu illegalen Bordellbetrieben wurden. Die Kundengewinnung über Online-Annoncen funktionierte. Hinter dem offerierten „frivolen Corona-Waldspaziergang“ verbarg sich der geschickte verborgene Verkauf einer sexuellen Dienstleistung. Hausbesuche fanden mit und ohne Maske statt und selbst „tabulose Gangbang-Veranstaltungen“ wurden im „totalen Lockdown“ als ganz besonderes Abenteuer veranstaltet. Die Ordnungsbehörden hatten unendlich viel zu tun und konnten diesen „Umtrieben“ nicht Herr werden.

Ganz nebenbei stellten die arbeitenden Damen fest, dass die möblierte Unterkunft oft deutlich billiger war als das Zimmer im Eroscenter. Zusätzlich konnte man noch bei der Sexsteuer und beim „Düsseldorfer Verfahren“ – einer „freiwilligen Pauschalsteuer – sparen, da es keine Aufsicht gab und – anders als in den Bordellbetrieben – keine Datendokumentation für die Behörden erfolgte.

Die Arbeit in den Appartements, die eigentlich nicht zulässig war und ist, hatte zudem den förderlichen „privaten Touch“, wenn es auch ein wenig an Sicherheit fehlte. Wozu muss ich mit einem Betreiber teilen, wenn die Geschäfte ohne ihn trefflich laufen? Ok, wenn mich das Ordnungsamt erwischt, kriege ich womöglich Ärger oder ein Bußgeld, aber das lässt sich leicht kompensieren. Frei nach Helmut Kohl: „entscheidend ist, was hinten rauskommt!“ oder „am Ende des Tages werden die Taler gezählt!“

Das „Learning by doing“ unter Corona führte dazu, dass auch nach dem Ende der Pandemie weiter „quasi emanzipiert“ gearbeitet wird. „Wo sind bloß unsere Frauen geblieben?“, ist eine Frage, die ich von meinen Beratungskunden immer wieder gestellt bekomme.

Blickt man in die Online-Anzeigen-Märkte, stellt man schnell fest, dass die Anzahl der Dienstleisterinnen insgesamt zwar leicht zurückgegangen ist, dass viele Damen und Herren aber zunehmend, wie geschildert, „privat unterwegs“ sind, worunter die offiziellen Betriebe natürlich leiden. Das ProstSchG wird nachhaltig ausgehebelt und die Strukturen haben sich ganz massiv verändert. „Das Wasser findet immer seinen Weg!“

Last but not least – Aktuelle ethische Fragen zum Thema Prostitution – Zwischen Dichtung und Wahrheit!

These: Die meisten Frauen in der Prostitution werden zu ihrer Tätigkeit gezwungen / Fast alle Frauen in der Branche haben einen Zuhälter

Den „inneren Zwang“, nämlich mangels anderer Perspektiven in der Prostitution zu arbeiten, wird es oft geben. Wenn man aus Osteuropa kommt, keinen Beruf erlernt hat, die deutsche Sprache nicht spricht, aber Geld für sich selbst und für die arme Familie in der Heimat braucht, ist Prostitution oftmals die einzige Möglichkeit „zeitnah“ an Geld zu kommen.

Prostitution ist sicher kein „Traumberuf“, bietet aber immer noch die Möglichkeit mit relativ wenig Aufwand „schnelles Geld“ zu verdienen. Täglich mit mehreren Männern Sex haben zu müssen, um zu überleben, ist keine schöne Vorstellung, doch „der Zweck heiligt oft die Mittel“. Mit einem „Over-Night-Date“ so viel Geld zu verdienen wie ein normaler „Werktätiger“ im Monat, kann ein Anreiz sein, Vorbehalte und Grenzen zu überwinden.

Wenn man für sich selbst die Entscheidung trifft in der Branche zu arbeiten, ist dies nicht der Zwang, von dem die Medien und die Moralapostel reden. Der verwerfliche und strafbare „äußere Zwang“ liegt dann vor, wenn dritte Personen jemanden zur Prostitution nötigen und dabei sogar Gewalt, in welcher Form auch immer, anwenden. Es gibt in osteuropäischen Kreisen „Verhältnisse“, wo ganze Clans von einigen wenigen Frauen „leben“ und wo die „Berufswahl“ von der Familie eindeutig vorgegeben wird.

Andere Länder, andere Sitten? – Ja, vermutlich sogar ein ganz anderer schwieriger Moralbegriff. Während wir Beziehungsratgeber lesen, uns spielerisch „Fifty-Shades-of-Grey“ nähern, Tantra-Kurse besuchen, die Romantik schätzen und pflegen, wird Sex in anderen Kulturen als archaisches Gut betrachtet und als „Mittel zum Zweck“ betrachtet. Das Ausspruch „zum Glück kann jede Frau gefickt werden“ ist böse, spiegelt aber die Denkweise unromantischer „Vermittler“ wider, die ihre Abkömmlinge ohne Gewissensbisse an den Mann bringen.

Bis in die 2000er-Jahre, wo das deutsche Rotlicht noch mehr „deutsch“ geprägt war, hatten rund die Hälfte der Damen „besondere Freunde“: Manager, die am Geschäft direkt partizipierten und wirtschaftliche Ziele mit Nachdruck definierten. Aber schon „damals“ gab es eben auch die andere Hälfte, wo die Damen selbst den Ton angaben und sich absolut nicht „managen“ ließen.

Den klassischen Zuhälter, den es mit Goldkette und „Mini Pli“ gab, sucht man mittlerweile vergebens. Herren mit AMG-Mercedes und „10 Pferdchen am Start“ sind quasi ausgestorben und auch die bekannten – in der Prostitution tätigen Motorradclubs – sind bei der „Bestückung“ ihrer Etablissements zunehmend vorsichtiger geworden, seit die Behörden „aktiver“ wurden und die Toleranz der Staatsanwaltschaften abnahm.

Eine abschließende prozentuale Aufrechnung, ob es nun mehr „gut“ oder „böse“ im Milieu gibt, kann ich nicht vornehmen, da ich in der Regel nicht bei verbrecherisch orientierten Clans am Tisch sitze und mir meine Kunden in der Branche auch ein wenig aussuche. Dass die Zahl der „gezwungenen Damen“ überwiegt, glaube ich persönlich aber nicht.

Andererseits kann ich den noch vorhandenen „Sumpf“ aber auch nicht leugnen und diesen kann man allein mit den Werkzeugen des ProstSchG nicht nachhaltig trockenlegen. „Jedes blaues Auge ist eins Zuviel!“ – ganz klar und ohne weiteren Interpretationsbedarf.

Kann ein „Sexkaufverbot“ das Problem lösen?

Schwarze Schafe können eine weiße Herde färben und die Herde wird grau.

Seit einigen Jahren formiert sich in Deutschland ein umfangreiches Netzwerk von lauten Prostitutionsgegnerinnen und –gegnern, das mit regelrechten „Schmutzkampagnen“ ein Sexkaufverbot nach dem sogenannten „Nordischen Modell“ einfordert.

„Rotlicht tötet“ – „Dein Spaß ist mein Horror!“ – „Prostitution ist Gewalt!“, lauten die unmissverständlichen Parolen.

Für diese Leute, die oft evangelikalen und feministischen Kreisen entstammen, ist Prostitution ein grundsätzliches Übel. Alle Bordellbetreiber in Deutschland sind „verabscheuungswürdige Gesellen“, die Frauen hemmungslos ausbeuten und zur Prostitution zwingen. Dass die offiziellen Betriebe von den Behörden engmaschig kontrolliert werden und Missstände dort unmittelbar auffallen, wird ignoriert, weil es nicht ins eigene Bild passt.

Statt den Fakten zu folgen, werden „Argumente“ geliefert, mit denen man Stimmung macht. Mord und Totschlag an einzelnen Sexarbeiterinnen wird zum vermeintlichen „Normalfall“ stilisiert und Sexkäufern wird kategorisch unterstellt Notlagen auszunutzen und auch mit Zwangsprostituierten „fröhlich zu kopulieren“. Die „Frau als Ware“ klingt wahrlich nicht gut und man kann – auch wenn man es will – der „Anti-Prostitutions-Kampagne“ keine „Pro-Prostitutions-Kampagne“ gegenüberstellen, ohne sich zu blamieren!

„Prostitution ist sexuelle Gewalt, schädigt und ist unmenschlich!“ hat einen ganz anderen Klang als „Prostitution ist gut und wichtig, schützt die Gesellschaft!“, zumal man sich die Frage stellt, wer die Positiv-Aspekte darstellen und proklamieren sollte. Das Volk liebt „Sex and crime“ und die Medien unserer Zeit verdeutlichen, welche Nachrichten man gerne „konsumiert“.

Die Ausgangsfrage ist dabei, wie man Prostitution moralisch bewertet!

Gut ist Prostitution sicher für „die Käufer“, die auf natürlichem Weg keine Sexualpartnerinnen finden. Hier hat Prostitution eine „Ventil-Funktion“, über die aufgebauter hormoneller Druck abgebaut werden kann. Ob es „schön“ ist als Dienstleisterin das Ventil für merkwürdige Bedürfnisse zu sein, lassen wir einmal dahingestellt. Wenn man tagtäglich mit einem seltsamen Volk „Haut an Haut“ konfrontiert ist, können Weltbild und die private sexuelle Freude sicher leiden. Auch wenn es einigen Damen im Gewerbe sicherlich durchaus schmeichelt als begehrenswertes Lustobjekt betrachtet zu werden, gibt es hier auch Grenzen. Auch die Hure ist zunächst einmal Mensch. Dies darf man bei aller Geilheit und Toleranz nicht vergessen!

Dass „Super, dass es Prostitution gibt!“ hört man eher von Freiern oder von besorgten Bürgerinnen und Bürgern, die die Sorge haben, dass die „heißen Herren“ ohne Prostitution auf Strassen und Plätzen über „normale Frauen“ von jung bis alt herfallen würden. Eine seltsame Betrachtung, für die es keinen empirischen Beweis gibt, da es, wie wir schon ergründet haben, die Prostitution zu allen Zeiten gab und sicher weiter geben wird.

Prostitution kann „ein echtes Übel“ sein, wenn schlechte Arbeitsbedingungen, äußerer Zwang und diverse Perversionen zum Alltag werden. Die Sexarbeit kann aber auch „erträglich sein“, wenn man Art und Umfang der Dienstleistung selbst bestimmt, wenn man sich die Kunden aussucht, wenn man gutes Geld verdient oder sogar das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann.

Vom Ausruf „Super … Geile Arbeit!“ werden wir im Durchschnitt und im Ergebnis weit entfernt sein.

In vielen Ländern Europas ist Prostitution gesetzlich verboten. Der Kauf von sexuellen Dienstleistungen ist, wie beim sogenannten „Nordischen Modell“, oft unter Strafe gestellt. Dennoch findet der Lustkauf überall weiter statt. Auch in China und in mehreren Bundesstaaten der USA, wo nicht nur der Kauf, sondern auch der Verkauf von Sex hart bestraft wird, gibt es Prostitution, nur eben sehr verborgen, unauffällig.

Das Problem: sobald man Prostitution in den „Untergrund“ schiebt und unsichtbar macht, wird diese „ungeschützt“ und schadet den Sexworkern viel mehr, als das Verbot ihnen nutzt. Übergriffe können schwerlich angezeigt werden, da man ja selbst strafbar handelt. Offizielle und durch anwesende „Wirtschafter“ geschützte Bordelle sind nicht vorhanden und die Macht der Freier wächst immens. Danebenbenehmen wird nicht geahndet! Selbst die Pflicht für den erfolgten Verkehr zu zahlen, entfällt beim „verbotenen Geschäft“. Es gibt keine Möglichkeit den Lohn einzuklagen.

Dass „Nordische Modell“ bestraft Sexkäufer, nicht aber die Verkäufer und schafft damit ein rechtliches Ungleichgewicht, das man nur schwer erklären kann: die Provokation einer Straftat ist erlaubt und wird durch die Straffreiheit für den Provokateur sogar gefördert?

Der deutsche Staat hat sich mit dem ProstSchG für einen anderen Weg entschieden: Politik und Gesellschaft finden die Sexarbeit nicht etwa „toll“, man hat aber erkannt, dass man Umstände nur regeln oder verbessern kann, wenn man überhaupt Zugriff auf den Bereich hat und es so möglich ist Regeln festzulegen und zu kontrollieren.

Unter diesem Aspekt ist das ProstSchG in jedem Fall das „kleinere Übel“ und die Grundlage für eine stückweite „Normalisierung“ des Gewerbes, der es durchaus bedurfte. Die Selbstregulierung des Marktes führte in den 2000er-Jahren zu bizarren Exzessen, die zu Lasten der Sexarbeiterinnen gingen.

Die „Selbstbestimmung“ war selten gewährleistet! Nicht vorhandene Regeln konnte man nicht einfordern! Hier ist nun einiges in Bewegung gekommen und die Rechte der Workerinnen wurden gestärkt, auch wenn diese oft nur „theoretischer Natur“ sind.

Die abschließende Frage: Ist Sexarbeit ein Beruf wie jeder andere?

Auch wenn dies von Verbänden der Sexarbeit regelmäßig so postuliert wird, teile ich diese Einschätzung nicht so ganz! Sexarbeit ist Arbeit, sogar harte Arbeit, da man körperlich wie seelisch gefordert wird. Der volle Körpereinsatz und der Verlust von Intimität fordern ihren Tribut! Der „Spaßfaktor“ ist gering; die „vermeintliche Lust“ ist ein Spiel, der Verkauf eine Illusion mit wenig „Pretty-Woman-Effekt“.

Als Beruf im Sinn von Berufung als „lebensprägende Tätigkeit“, wie es die Soziologen formulieren, mag ich den „Job“ nicht sehen. Als Betrachter und Berater der Branche bleiben mir Wertungen nicht erspart.

Bei den Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern erkenne ich keine „homogene Masse“, die gemeinsame Ziele und Werte hat. Der „Respekt-Ruf“ der Eliten – deutsche Dienstleisterinnen aus dem Escort und SM-Bereich prägen dabei die Sexarbeits-Verbände deutlich – ist sicher wichtig, jedoch scheitert die „Huren-Gewerkschafts-Arbeit“ an der Tatsache, dass bestimmt 90 % der in Deutschland tätigen Dienstleisterinnen die Verbände weder kennt noch Interesse an politischer Arbeit hat. Man will sich keiner Gruppe anschließen und sich überhaupt nicht austauschen.

Es geht „ums tägliche Brot“, ums Geschäft und dabei bleibt im Zweifelsfall auch die Kollegialität auf der Strecke. Zweckgemeinschaften existieren eine gewisse Zeit lang, aber selten auf Dauer! Man ist – besonders im „fremdländischen Segment“ – ideologisch „Separatistin“.

Eine Beschreibung, die analog auch auf die Betreiberinnen und Betreiber erotischer Betriebe zutrifft: während der Corona-Zeit haben sich umfangreiche Allianzen gebildet, es gab Online-Konferenzen mit intensivem Austausch, es gab gemeinsame Ziele: Die Betriebe sollten schnell wieder öffnen, man engagierte sich gemeinsam politisch, man beauftragte Juristen mit der Durchführung von Klageverfahren, man spürte eine breite Solidarität in der Branche, die sich aber nach Ende der Corona-Maßnahmen nach und nach in Luft auflöste.

„Eigner Herd ist Goldes wert“ lautet die Devise. Da die Anzahl der „noch verfügbaren Dienstleisterinnen“ post-pandemisch stark abgenommen hat, ist das Angebot der Betreiber größer als die Nachfrage der Damen, die, wie wir schon gehört haben, zunehmend eigene Wege gehen.

Die Betreiber(innen) leben – unmittelbar – von „den Damen“ … wenn man keine oder zu wenig von ihnen im Haus oder in der Vermittlung hat, laufen die Geschäfte einfach schlecht. Man geht dann zwar nicht direkt pleite, aber mangelnde Nachfrage, Stagnation und im Ergebnis reine Kostendeckung sind keine unternehmerischen Perspektiven und hinterlassen ein ungutes Gefühl.

Hat man keine Damen im Haus, bleiben auch die Gäste aus. Schlimmer noch: die Gäste schauen sich in dem immer schnelllebigen Geschäft umgehend nach Alternativen um, die sich über „Internet 2.0“ auch schnell – vor allem im „privaten Bereich – finden lassen.

Der „Verteilungskampf“ hat im Gewerbe längst begonnen und „entspannt“ sind eher die Gäste, deren Anzahl jedoch – durch Tinder und andere Kontaktplattformen, aber auch durch generelle gesellschaftliche Veränderungen – immer weiter abnimmt. Für Sex zu bezahlen, ist für die jüngere Generation „relativ“ uncool. Der in meiner Jugend „obligatorische Puffbesuch“ findet immer weniger statt. Die Jugend ist nicht etwa sexualfeindlich, findet aber genügend Möglichkeiten zum „Sexeln ohne Bezahlung“.

Die Rotlicht-Branche ist nach meinen Beobachtungen keine „Wachstums-Branche“ mehr, die Umsätze gehen gerade in den offiziellen Bordellbetrieben deutlich zurück und das nicht erst seit Corona. Wie es im „privaten Sexverkauf“ genau aussieht, kann ich nicht so recht beurteilen, ich vermute aber, dass die Umsätze dort stabil sein dürften.

„Leidtragend“, wenn man es so bezeichnen darf, ist eindeutig der „Zwischenhandel“: das sind die Betriebe, die die sexuelle Dienstleistung nicht selbst „vollziehen“, sondern Räume hierfür zur Verfügung stellen oder Dienstleisterinnen vermitteln.

Mein Fazit: Prostitution als sexuelle persönliche Dienstleistung wird es nach meiner Einschätzung weiter geben, das Geschäft wird sich verändern, das Partizipieren am Prostitutions-Gewinn wird sich zunehmende rückläufig entwickeln.


Der Vortrag als Audiodatei: https://usercontent.one/wp/zukunft-rotlicht.info/wp-content/uploads/2023/05/Sexarbeit-als-Arbeitsplatz-by-Howard-Chance-20.04.2023.mp3?media=1723214039