Welche Gruppen sind vom neuen Prostitutionsgesetz besonders betroffen? Wo sind umfangreiche Probleme zu erwarten und wo eher nicht?
Posting vom 18.10.2016 by Howard Chance:
Dieser sicher sehr interessanten Frage gehe ich in meiner nachfolgenden Risiko-Analyse im Detail nach. Die Abstufungen sind von grün bis dunkelrot gewählt. Je roter es wird, desto unerfreulicher ist die Situation, die sich aus den neuen gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Bitte beachten Sie, dass ich die Risiko-Bewertung hier nur „ganz grob“ vornehme als reine Schematisierung, die im Einzelfall nicht zutreffen muss.
Hier erst einmal die Risiko-Ampel in groß:
Gruppe 1 – Grün
FKK-Saunaclubs sind in der Regel bereits behördlich als Bordell oder bordellartiger Betrieb genehmigt und besitzen fast alle Gastronomie-Konzessionen, da auch Alkohol ausgeschenkt wird. Da für das Erlangen einer Gastronomie-Konzession ebenfalls die Zuverlässigkeit des Betreibers und die des Stellvertreters geprüft wird bzw. wurde, ist davon auszugehen, dass man zwar formell den Betrieb eventuell nochmals formell anmelden und das Konzept ergänzend einreichen muss, dass dies aber nicht wirklich zu Problemen führen wird, da die jetzige Betriebspraxis bereits jetzt fast allen Erfordernissen des neuen Gesetzes entspricht. Wenn die Sexworkerinnen dort, genau wie die Gäste, einen Tageseintritt zahlen, gibt es auch keinen Hinweis auf Wucher oder sonstige Ausbeutung. Auch baurechtlich sind keine Probleme zu erwarten, da mit der bisherigen Konzessionierung diese Aspekte bereits geprüft worden sein dürften. Ob eventuell „FKK“ aus dem Konzept gestrichen werden muss, weil der Gesetzgeber die Anordnung von „Nacktheit“ als unzulässige Weisung versteht und so aus dem FKK-Club dann ein Sauna-Club wird, ist nur eine Geschmacksfrage, bedroht aber sicher nicht die Existenz des Unternehmens. Wichtig: diese Betrachtung bezieht sich natürlich ausschließlich auf die Betriebe wie z.B. „Artemis Berlin“, „Paradise Stuttgart“ oder „Magnum Erkrath“ etc., wo die Damen Tagestickets zahlen und selbständig tätig sind. Saunaclubs mit Pauschaltarifen fallen unter „Flatrate“ und gehören in die ganz rote Zone dieser Ampel!
Escort-Agenturen haben durch das neue Gesetz ebenfalls wenig zu befürchten, da für die Vermittlung von sexuellen Dienstleistungen wesentlich weniger Auflagen existieren, als für eine stationäre Prostitutionsstätte. Baurechtliche Aspekte spielen überhaupt keine Rolle. Es muss lediglich darauf geachtet werden, dass man nur „angemeldete“ Damen und Herren vermittelt und diese auf ihre Pflichten hinweist. Das Konzept wird in der Regel kaum Fallstricke beinhalten, allerdings könnte hier und da „Personalmangel entstehen, wenn sich einige oder auch viele Escortdamen entschließen, die Tätigkeit an den Nagel zu hängen, weil eine Anmeldung als Prostituierte, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Frage kommt.
Gruppe 2 – Gelb
Selbständig arbeitende Sexworker, Massage-Anbieterinnen und Escorts haben eine Gesundheits-Beratung vorzunehmen und müssen sich anmelden, was zwar unangenehm ist, aber in der Regel die bisherige Arbeitsweise nicht grundsätzlich verändert! – Wenn die sexuelle Dienstleistung alleine in der eigenen Wohnung erfolgt, wird man nicht zur Prostitutionssstätte, übt also kein Prostituionsgewerbe aus und muss dementsprechend auch
kein Betriebskonzept einreichen, um eine Erlaubnis zu bekommen: die Tätigkeit ist nämlich in dieser Form nicht erlaubnispflichtig! – Probleme entstehen eventuell bei der Erfassung zur Steuer und wenn Nebentätigkeiten im Hauptberuf womöglich angegeben werden müssen und man den „Huren-Ausweis“ nicht beantragen kann oder möchte.
Tantra- und Erotikmassage-Institute werden, wenn dort mehrere Dienstleisterinnen beschäftigt werden, zwar durch das neue Gesetz zu „Prostitutionsstätten“, haben damit auch die baurechtlichen Bestimmungen einzuhalten, eine Zuverlässigkeitsprüfung zu absolvieren, müssen zulässige Verträge mit den Mitarbeitern machen und alles aufwendig dokumentieren, werden aber mit dem „Massage-Konzept“ keine großen Schwierigkeiten bei der amtlichen Genehmigung haben. Daher habe ich eine Einordnung unter „gelb“ vorgenommen, wobei es im Einzelfall auch in den Bereich „hellrot“ fallen kann, wenn sich die Räumlichkeiten in unpassenden „Gebieten“ (Baurecht) befinden sollten.
Gruppe 3 – Hellrot
Bordellbetriebe, Eros-Center, Love-Mobile etc., die „Zimmervermietung“ betreiben, befinden sich durch mögliche „Wucherei“ bereits in der sehr roten Zone. Neben baurechtlichen Vorschriften, Zuverlässigkeitsprüfung und Dokumentationspflichten, wird es beim vorzulegenden Betriebskonzept richtig interessant: ist dieses zulässig oder gibt es Hinweise auf Ausbeutung? – Die Höhe der Zimmermieten muss verhältnismäßig sein und diese müssen im Prinzip amtlich genehmigt werden!
Bei Modellwohnungen, in denen mehrere Damen arbeiten, wird es auch richtig kompliziert, da diese nach dem neuen Gesetz automatisch zu „Prostitutionsstätten“ werden und damit Borellbetriebe werden, die vielerorts in Wohn- und Mischgebieten ordnungsrechtlich nicht zulässig sind! – Statistisch ist diese Gruppe in Deutschland besonders stark vertreten und hier wird es dementsprechend auch die größten Probleme geben. Man spricht in Großstädten schon von einem baldigen Sterben der kleineren Wohnungsbetriebe, die sich momentan noch in einer Grauzone befinden, in 2017 aber unter „schwarz oder weiß“ zu betrachten sind: entweder erlaubt oder eben nicht!
Gruppe 4 – Dunkelrot
Flatrate-Clubs und gewerbliche Gangbang-Veranstalter, die Sex zu Pauschaltarifen offerieren, fallen ganz klar durchs Raster, da derartige Betriebkonzepte völlig untersagt werden. Hier sieht der Gesetzgeber grundsätzlich einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der beteiligten Sexworker, wo die Rückholbarkeit der Bereitschaft zum Vollzug einer sexuellen Handlung nicht gegeben ist. Das darf nicht sein und solche Betriebskonzepte können nach dem neuen Recht einfach nicht genehmigt werden. Keine Chance, sagt Howard Chance, der hier nur zur Konzept-Änderung raten kann.
Kontext-Artikel:
http://prostitution2017.de/schutzgesetz/die-beratung-zum-neuen-prostituionsgesetz/