Frankfurt/Main: Bankenmetropole versus „The walking dead”
Frankfurt am Main ist immer eine Reise wert, gerade wenn im Advent der weihnachtliche Glanz am Römerberg einzieht und man die Kälte mit einer Tasse Glühwein bekämpfen kann und wenn man anschließend in die „Fressgass” weiterzieht, um die Weihnachteinkäufe zu tätigen. Soviel zur Theorie und zu den stolzen Aussagen der Gesellschaft für Stadtmarketing, die unsere hessische Metropole touristisch vermarktet und Touristen wirksam anlocken möchte, die auch ohne Appell an den Adventswochenenden gerne an den Main pilgern.
Ich hatte am vergangenen Wochenende in Frankfurt geschäftlich zu tun und wurde dabei mit
ganz anderen Impressionen konfrontiert, die mich dann doch recht nachdenklich gemacht haben. Nun: der erste Tag mit Beratungsgesprächen in der geschmackvollen Lounge des Steigenberger Metropolitain, das darauf folgende orientalische Abendessen mit einer lieben wie charmanten Freundin im Restaurant des Hotel Villa Oriental, wo ich dann in einem Sultanszimmer die Nacht verbrachte, waren sehr positive Momente, die einem auf Reisen die Zeit versüssen. So lässt sich Arbeit mit den schönen Dingen des Lebens verbinden: was will man(n) mehr?
Ein Anruf zur Nacht beendete die Idylle radikal! – Ein Kollege, der schon seit vielen Jahren im
Bahnhofsviertel aktiv ist, meldete sich und wollte mich unbedingt noch in der Nacht treffen. Da es vom Hotel nur wenige Minuten bis ins Viertel waren, sagte ich notgedrungen zu und maschierte durch die kühl-neblige Nacht Richtung Amüsiermeile.
Schon auf dem Weg begegneten mir unzählige junge Männer mit gezückten Bier- und Schnapsflaschen, Magreb-Migranten, die mir penetrant Betäubungsmittel anboten und Bettlerinnen in osteuropäischer Landestracht, die ein „Nein” zur verlangten Spende mit lautstarken Flüchen kommentierten. Ja, schon sehr romantisch! Vor einer Nachtbar mit Namen „Moulin Rouge”, versperrte mir ein älterer Koberer den Weg und wollte mich zu einem Besuch des Animierschuppens nötigen, wo man dann am Tisch auf eine bereits geöffnete Sektflasche trifft, die einen mal flugs 150 Euro kostet. Kenne ich schon, brauche ich nicht und da hilft es auch nichts, dass eine Kober-Kollegin mich am Arm packt, um mich mit Gewalt in die Bude zu ziehen. Das funktioniert wohl nur bei schmächtigen Japanern, die mit solchen Attacken noch keine Erfahrungen haben.
Nach dreimal Festhalten, Labberei und zwei eindeutigen Angeboten von Bordstein-Animateurinnen, schaffte ich es schließlich mit einigem Hakenschlagen und strammem Schritt bis zum „Leierkasten” in der Elbestrasse, dem Puffbistro im Crazy Sexy, wo das Treffen mit dem Kollegen stattfinden sollte. Nicht nur der Kollege war im Lokal, sondern die übliche Bahnhofsmischung, die aus Puffschleichern, Bordellmanagern, Gunstgewerblerinnen und nicht näher definierbaren Nachtschwärmern besteht, für die Sex and Crime irgendwie verlockend ist. Zum Sex komme ich später noch, was den Crime anbelangt, braucht man nur wenige Minuten zu warten, bis mehrere Polizeiwagen eintreffen, um einen handfesten Streit zu beenden und die Streithähne nebst Gefolge einzusammeln. Direkt vor dem Leierkasten liegt zudem eine mittelalte Dame auf der Strasse, die eine Spritze im Arm hängen hat, wirr mit sich selbst spricht und nach wenigen Minuten von einem Rettungswagen eingesammelt wird. Klar, die umstehenden Personen grinsen und machen schnell einige Selfies, die das Geschehen dokumentieren. Ein junger Osmane bremst seinen getunten Schlitten mitten auf der Strasse, schaltet den Warnblinker ein, rennt mit schnellem Schritt ins Bordell, während eine Schlange von bestimmt 10 nachfolgenden Wagen ein wildes Hupkonzert beginnt.
Der Kollege sitzt am Tresen, hat schon ein Bier zuviel und befindet sich im angeregten Gespräch mit 2 zwei Latina-Ladies, die im Lokal auf Kundenfang sind und sich einen Drink nach dem anderen ausgeben lassen. Sie haben kein Zimmer im Eros-Center, können aber das Hinterzimmer eines Kiosk benutzten. Aber auch ein Hotelbesuch ist kein Problem, wenn man an Ort und Stelle schon mal anzahlt. Bucht man die Damen im Duo, gibt es Prozente. Bucht man gar nicht, gibt es böse Blicke und gespielte Entrüstung. Mir total egal! – Während eine der Latinas mit ihrer Hand an meinem Knie spielt, trink ich eilig mein Bier, um das Lokal möglichst schnell zu verlassen. Sie sieht einfach zu durstig aus und wenn man nicht schnell genug aus der Anbahnungshandlung ausbricht, hat man wenig später das südamerikanische Theater kostenlos. „Mi amor” … nein … nicht mit mir!
Mein Kollege will mir einige umgebaute Bereiche in seinem Eros-Center zeigen. Na prima, jetzt auch noch in die steilen 5-stöckigen Treppenhäuser, wo man sich wie im Hühnerstall fühlt und wo einem die Menge durch die Flure schiebt. Trimm-dich-Pfad für Nachtgeister. Im Haus selbst geht es zu wie auch dem Hauptbahnhof. 50 Mann rauf, 50 Mann runter, Hektik pur und Einblicke in die kleinen Verrichtungszimmer, aus denen lautstarkt gerufen und vehement gewunken wird. Alles in fremdländischer Hand: ein Basar, wo um jeden 5-er gefeilscht wird und wo ich mir wirklich keine Einkehr vorstellen kann. Total unerotisch und da nützt es dann auch nichts, dass die werbenden Damen ihre Brüste auspacken und ungestüm mit dem Hintern wackeln. – 30 Euro, ficki, blasi, Position, lansam lansam! Da will man einfach nur ganz schnell wieder raus! – Ich jedenfalls!
Beiläufig stelle ich mir die Frage, welche Folgen das neue Prostitutionsgesetz wohl 2017 im Bahnhofsviertel haben wird und ob alle angetroffenen Protagonisten darüber schon wirklich
Bescheid wissen? – Vorstellen kann ich mir das nicht, aber meine Kundschaft besteht zum Glück aus ganz anderen Akteurinnen und Akteuren.
Nach einer Stunde im Viertel habe ich die Nase total voll, mein Kopf dröhnt und ich zeige massive Stress-Symptome. Der Kollege ist verwundert, schließlich wollte er mit mir noch auf einen Sprung ins „Pure Platinum”, wo man so gut chillen kann. Ich grinse: in meinem Sultanszimmer geht chillen viel besser und auch viel preiswerter! – Nachdem ich leichte Kopfschmerzen angedeutet habe und zudem noch einen Beratungstermin erwähne, der am frühen Sonntagmorgen stattfinden soll, entlässt mich der Kollege aus der lästigen Pflicht.
Nix wie weg! – Ich glaube ich bin inzwischen zu alt für solches Chaos! – Auf dem Rückweg fühle ich mich ein bisschen wie in „The walking dead”. Nachdem ich die roten Lichter im Rücken habe, fallen mir in allen Nebenstrassen Bordstein-Camper auf, die auf Pappen ihr Bettzeug ausgebreitet haben, um dort zu schlafen. Ein älterer Mann jongliert mit seinen Turnschuhen und bittet um eine Spende für seine Vorführung, während sich im benachbarten Hofeingang eine junge Dame provokant in den Schritt greift und mir etwas unverständliches zuruft. Sie hat sich wahrscheinlich verlaufen? Jedenfalls folgt sie mir, als ich um die Ecke biege. Um nicht kurz vor der Nachtruhe noch einmal in ein sinnloses Gespräch verwickelt zu werden, gebe ich Gas, wechsle die Straßenseite und verschwinde dann schnell im Nachteingang meines Hotels, wo mich der Nachtportier feierlich angrinst.
„Na, haben Sie noch was schönes erlebt?”, fragt er süffisant. Was soll ich jetzt dazu sagen?Wenn er die letzten 2 Stunden im Viertel meint, würde meine Antwort negativ ausfallen, denn hier hat sich Frankfurt am Main von einer Seite gezeigt, die den Normalbürger nur abschrecken kann. Ein solches Irrenhaus habe ich bei meinen diesjährigen Reisen durch die Republik noch nicht erlebt. Das ist keine Subkultur, sondern der Untergang in Reinkultur! Keine große weite mondäne Welt, sondern ein fast selbstverwaltetes Ghetto mit hohem Gefährdungspotential, das man mit Erotik und Lust überhaupt nicht in Verbindung bringen kann. Obwohl ich schon einiges gewöhnt bin, hat mir der Abend eher Angst gemacht und ich habe mir fest vorgenommen, den Distrikt zukünftig zu meiden und es dann doch eher am Römerberg zu probieren, wenn ich in einigen Wochen wieder in der Stadt sein werde!
Um den Nachtportier nicht zu verunsichern, antwortete ich auf seine genannte Frage schnell mit einem „Aber sicher! – Gute Nacht”, bezog dies für mich selbst aber auf den frühen Abend, wo ich in angenehmster Gesellschaft war und die roten Lichter meinen Blick noch nicht getrübt hatten!
Hotel- und Restaurant-Empfehlung für Frankfurt/Main: