Soforthilfen – Diskrepanz – Wofür dürfen die Mittel verwendet werden?
Als Unternehmensberater beobachte ich im Auftrag der Kundschaft die aktuellen Hilfsprogramm von Land und Bund sehr intensiv. Ich hatte in der vergangenen Woche über 100 Telefonate mit Leuten aus meiner Branche, die sich nach Möglichkeiten der Soforthilfe für Unternehmen und Solo-Selbständige erkundigt haben oder die mit mir über wichtige Aspekte dieser Programme diskutieren wollten. Beratungsbedarf, Gesprächsbedarf und viele “Fallstricke” in der Praxis!
Wie ich schon in meinem letzten umfangreichen Artikel beschrieben habe, sollen die Soforthilfen genutzt werden, um Kleinbetriebe zu “retten”, die durch die “Corona-Krise” in “Liquiditätsprobleme” geraten sind! Nach den mir vorliegenden “Bewilligungsbescheiden” von Kunden aus NRW, dürfen die zugesagten Gelder, die für einen Zeitraum von 3 Monaten gewilligt werden und als Einmalzahlung “ausgekehrt” werden, “zweckgebunden” verwendet werden:
2. Zweckbindung
Die Soforthilfe erfolgt ausschließlich zur Milderung der finanziellen Notlagen des betroffenen Unternehmens bzw. des Selbstständigen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie als Einmalzahlung für einen Bewilligungszeitraum von drei Monaten ab Antragstellung. Die Soforthilfe dient insbesondere zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, die seit dem 1. März 2020 in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie entstanden sind. Nicht umfasst sind vor dem 1. März 2020 entstandene wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. Liquiditätsengpässe.
Die aufmerksame Leserin / der aufmerksame Leser wird vielleicht wie ich am Wort “insbesondere” hängenbleiben, was ja als “Relativierung” zu verstehen ist: wenn die Soforthilfe “insbesondere” der Überbrückung von Liquiditätsengpässen “dient”, wobei “dienen soll” die korrektere Formulierung wäre, muss es nach den Gesetzen der Logik mindestens einen weiteren möglichen “Zweck der Dienung” geben!
Das Prinzip der “Milderung” wiederum bedeutet, dass durch die Subvention, was es ja ist, keine “Überkompensation” entstehen darf: man darf also durch die erlangte Subvention keinen “Vorteil” erlagen, also durch diese keinen “finanziellen Vorteil” haben. Mildern heißt lediglich Schaden verringern! Eine “Kompensation” bedeutet simpel formuliert “plus/minus 0”.
Warum so kompliziert? Warum diese Haarspalterei? In meinen Telefonaten bin ich zu dem Eindruck gelangt, dass viele Antragstellerinnen und Antragsteller der Meinung sind, dass die Soforthilfen neben der Deckung von Betriebsausgaben auch für die “persönliche Lebensführung” verwendet werden können, in dem man sich aus der Soforthilfe nach eigenem “Gutdünken” ein “Gehalt” zahlen kann!
Dem Wirtschaftsminister von NRW, Professor Andreas Pinkwart (FDP), wurde diesbezüglich im gestrigen Briefing der NRW-Landesregierung die Frage stellt, ob mit der Soforthilfe NRW auch die Deckung von “privaten Kosten” erlaubt sei. Minister Pinkwart erklärte, dass dies nicht der Fall sei, sondern das hierfür andere Hilfen, nämlich ALG2 (genannt Hartz4) das geeignete Mittel sind! Im Klartext: mit der Soforthilfe werden betriebliche Kosten gedeckt, wer “Privates” bezahlen will, muss einen weiteren “Topf” anzapfen? Real habe ich dann z.B. als Solo-Selbständiger 9.000 € auf dem Geschäftskonto, darf dieses Geld aber “privat” nicht anrühren, sondern auf eine “Hartz-Zahlung” warten, die dann auf meinem privaten Konto eingeht. Hier entsteht dann automatisch eine Diskrepanz zu den Hartz-4-Vorschriften nach dem Sozialgesetzbuch, da ich ja faktisch über “Mittel” verfüge, diese aber nicht “privat” einsetzen darf! Ein Konstrukt, wo viel Erklärungsbedarf besteht und wo man, wenn man nicht aufpasst, rechtliche Schwierigkeiten bekommen kann!
Bei der Analyse der Umstände stieß ich dann gestern auf die FAQ-Seite der Landesregierung NRW:
Stand 13:07 Uhr am 02.04.2020 gab es die scheinbar erlösende Information in den FAQ-Erläuterungen, wonach Solo-Selbständige nun doch der Gang zum Jobcenter erspart bleiben würde. Doch nun wird es noch besser: am heutigen Morgen, Stand 09:19 Uhr am 03.04.2020, ist der Zusatz-Passus ersatzlos gestrichen:
2 Meter nach vorne und dann wieder 4 Meter zurück? Sehr befremdlich! Im Ergebnis ist es ja ohnehin so, dass nur die Bedingungen gelten, die im “Bewilligungsbescheid” enthalten sind. Selbst die Auskünfte der IHKs etc. sind überhaupt nicht rechtsverbindlich. In einer “Hoppla-Hopp-Situation” zwar nachvollziehbar, aber im Ergebnis dann für die Einzelne bzw. den Einzelnen sogar gefährlich!
In anderen Bundesländern gibt es ähnliche Diskrepanzen: laut IHK Baden-Württemberg haben Selbstständige die Möglichkeit 1.180 € als “Selbständigen-Lohn” von der Soforthilfe zu verwenden, um damit die privaten Kosten zu decken. Ob dies von den dortigen Behörden aus offiziell so “beschieden” wird, entzieht sich noch meiner Kenntnis. Auch aus Hessen gab es Berichte über ein Telefonat, wo eine entsprechende Handhabung “denkbar” sei. Aber was nützt eine schwammige Aussage eines Mitarbeiters, der in einem Callcenter Fragen beantwortet und die Folgen seines Handelns nicht überschauen kann?
Letztendlich kann nur eine rechtsverbindliche Auskunft der jeweils zuständigen Behörde oder des Bundesregierung “Abhilfe” schaffen und eine solche kann man natürlich schriftlich einholen, bevor man Gelder “atypisch” verwendet und sich damit möglicherweise strafbar macht! Subventionsbetrug ist keine Bagatelle, sondern wird hart geahndet! Ich bin mir sicher, dass die Diskussion zu dieser sehr wichtigen Frage in den kommenden Tagen an Fahrt aufnehmen wird, da die Gelder, zumindest in NRW, seit gestern massiv “anrollen” und sich dann für viele bereits die Frage stellt, welche Rückstände man damit “sofort” bedient!
Ich werde in den kommenden Tagen diverse “Fallstudien” dazu veröffentlichen und hoffe dann auch sagen zu können, was das Wort “insbesondere” bedeutet und was nicht “besonders”, sondern was “allgemein” gilt! Howard … immer am Ball und im Spiel!