Zukunft Rotlicht – Howard Chance zurück aus der kreativen Pause!
Aktuelle branchenbezogene Betrachtungen nach länger persönlicher Abstinenz – Zurück zu den publizistischen Wurzeln – Branchen-Informationsdienst geplant
Wir schreiben kalendarisch Mittwoch, den 17. August 2022, und ich habe mit großer Verwunderung festgestellt, dass ich bei Facebook seit dem 14. April 2022 keinen Artikel mehr gepostet habe. Gleiches gilt dann auch für meinen Newsletter, der ebenfalls seit dem Frühjahr verwaist ist. Gerüchte über einen längeren Haftaufenthalt sind übrigens ebenso unrichtig wie der vermeintlich naheliegende Gedanke, dass ich der verwegenen Branche den Rücken gekehrt haben könnte. Richtig ist hingegen, dass in den vergangenen Monaten viel passiert ist und sich Lebensumstände verändert haben.
Während der überaus einschneidenden zweijährigen Corona-Phase von Frühjahr 2020 bis Frühjahr 2022 hatte ich recht viel zu tun: Recherchen, Hygiene-Konzepte und Mitarbeit an Kundgebungen, Aktionen und Demonstrationen. Auch Anpassungen von Betriebskonzepten, Digitalisierungskonzepte im Rahmen von Überbrückungshilfen und die umfangreiche Berichterstattung über Corona-Verordnungen und damit verbundene juristische Schritte, Zoom-Konferenzen, vielfältige Telefonate und corona-konforme Treffen prägten den Alltag und ließen bei mir nur selten Langeweile aufkommen.
Corona ist Geschichte? – Die Geschäfte laufen endlich wieder „normal“?
Beide Fragen kann man nur entschieden mit „Nein“ beantworten. Vom bisweilen völlig übertrieben erscheinenden Corona-Lockdown-Management bis hin zur „Corona-Phlegmatik“ der vergangenen Monate, war es nur ein sehr kurzer Weg. Noch im Januar 2022 verkündeten Regierungsvertreter den Untergang durch Corona, doch seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs, war plötzlich alles anders. Immens hohe Infektionszahlen wurden schließlich mit einem „9-Euro-Ticket“ bekämpft, bei dem sich mindestens doppelt so viele Bürger wie sonst in Züge und Busse quetschten und dabei nicht selten die nach wie vor vorgeschriebene Maske schutzlos unterm Kinn platzierten. Statt Abstand nun Vollkontakt? Es scheint niemanden mehr zu interessieren und das Krankenhaus-System scheint trotzdem nicht zu kollabieren. Die Bewertung überlasse ich jedem selbst. Mit einer nur 2-tägig-nachweisbaren Corona-Infektion bin ich gut durch die Zeit gekommen, wenngleich ich für einen Zeitraum von etwa 4 Wochen kleine unangenehme „Zipperlein“ verspürte, deren Ursprung im Virus liegen dürfte.
Die Branche hat sich merklich verändert – „Privat“ wurde zum Zauberwort!
Von gut laufenden „Geschäften“ in der Erotikbranche kann nach wie vor, nicht die Rede sein, zumindest wenn man es auf die regulären konzessionierten Betriebe bezieht, die stark unter der „privaten Konkurrenz“ zu leiden hat, die sich gerade in der Corona-Zeit geradezu zwangsläufig etabliert hat. Die heimliche Arbeit fand in der Corona-Zeit in privaten Wohnungen und Hotels statt, wo das ProstSchG vermeintlich nicht gilt und wo man während der Betriebsverbote im Verborgenen arbeitete. Die Not machte erfinderisch, schnell entstanden „frivole Herbergen“ der besonderen Art, die man vor den Ordnungsbehörden geheim halten wollte und wo man auch jetzt gerne „geldsparend“ weiterarbeitet. Zwar nehmen die Trefferquote und das Engagement der Ordnungsbehörden inzwischen merklich zu, dies schreckt aber „Hardliner“ nicht unbedingt ab. Ein „Katz-und-Maus-Spiel“, das den seriösen Betreiberinnen und Betreibern im Ergebnis sehr schadet.
Die staatliche „Überbrückung“ hatte im Juni 2022 ein Ende
Ende Juni 2022 sind die Überbrückungshilfen der Regierung ausgelaufen, wobei leider festzustellen ist, dass nicht wenige Unternehmen unserer Branche für das erste und zweite Quartal 2022 noch keine Gelder erhalten hat. Stattdessen kamen Rückfragen der Bewilligungsstellen, die ergründen sollten, warum die weiter bestehenden Umsatzrückgänge Folge von Corona wären. Man unterstellte saisonale Schwierigkeiten und spielte auf die wirtschaftliche Gesamtlage, die Inflation wegen des Krieges in der Ukraine, an, um Auszahlungen von Hilfen zu vermeiden. Auch für die Bewilligungsstellen ist Corona nebst Folgen schlagartig verschwunden und ablehnende Bescheide kommen jetzt viel häufiger vor. Das „Hilfsgeld“ sitzt nicht mehr so locker und die Verwendung wird nun auch rückwirkend strenger überprüft. Daran ändert auch das gestrige Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf nichts, wo einige Musterkläger in Bezug auf Rückforderungen im Rahmen der 9.000-Euro-Soforthilfe in erster Instanz erfolgreich gegen das Land NRW waren. Ein durchaus interessanter Vorgang, der aber dennoch nicht zur Norm taugt, sondern eher auf einem Rechtsmangel basiert!
Urteile und Folgen: Baurecht und Umsatzsteuer-Hinzurechnung
Im vergangenen Jahr ging ein deutliches Raunen durch die Branche, als das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zum Thema „Zulässigkeit eines sogenannten Wohnungsbordells in einem Mischgebiet“ die über viele Jahre übliche „Typisierung“ als maßgebliche Entscheidungsgrundlage der Bau- und Ordnungsämter monierte und für die Zukunft „Einzelfallprüfungen“ verlangt. Aha! Wohnungsbordelle sind in Mischgebieten also jetzt überall zulässig? Nein! – Das Bundesverwaltungsgericht hat lediglich festgestellt, dass solche Betriebe genehmigungsfähig sein können, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen und das Störpotential in der Einzelfallprüfung als nicht erheblich bewertet werden kann. Die Bewertung liegt hier natürlich im ersten Schritt wieder bei den örtlich zuständigen Bau- und Ordnungsbehörden und im Streitfall dann bei lokalen Verwaltungsgerichten, die den Einzelfall dann mit der Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts abgleichen müssen. Auch wenn das Urteil schon ein Meilenstein in der Prostitutions-Rechtsgeschichte ist, darf man den Richterspruch dennoch nicht überbewerten.
Die Facebook-Gruppen Zukunft Rotlicht und natürlich auch ich persönlich gratulieren der rührigen Betreiberin Ulla Oberender und ihrem Mann herzlich zum kürzlich erfolgten „Freispruch“ vor dem Bundesgerichtshof. Als Opfer einer wahren Hetzjagd eines Staatanwalts und mehrerer zuarbeitender Behörden, wurde das Ehepaar Oberender im Zusammenhang mit der Betreibung des FFK-Clubs van Goch in Kleve schwerer Straftaten beschuldigt. Es ging um Steuerhinterziehung, unterstellte Beschäftigungsverhältnisse mit den eigentlich selbständigen Sexarbeiterinnen mit dem nachfolgenden Rattenschwanz einer dann existierenden Sozialversicherungspflicht und viele weitere Aspekte mehr. Die staatsanwaltlichen Unterstellungen, denen, so dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu entnehmen, jeglicher Beweis fehlt, reichten in den ersten Instanzen für eine Verurteilung aus und verursachten einen Millionenschaden, für den nun Staatshaftung eintreten muss. Mehr als 6 Jahre hat es gedauert, bis die Oberenders endlich Recht bekamen und bis der hart erarbeitete und erfolgte Freispruch vollumfänglich bestätigte, dass sich die Betreiber überhaupt nichts vorzuwerfen haben. An dieser Stelle muss aber erwähnt werden, dass dieses Ergebnis nur dadurch möglich war, dass die Betreiber saubere Dokumentation besaßen, eine ordentliche Buchführung hatten, die nötige Energie aufbrachten und die nötigen finanziellen Mittel für die kostenintensive Verteidigung „auftreiben“ konnten, um überhaupt bis zur höchsten Instanz gehen zu können. Viele Betreiber, die in ähnlichen Situationen steckten oder aktuell noch stecken, haben weder das nötige Fachwissen noch die Energie, um sich zur Wehr zu setzen. Wenn die Staatsmachts zuschlägt, wird man schnell unbeweglich und damit handlungsunfähig. Gepaart mit Böswilligkeit der Behörden, kann man von heute auf morgen in einer Falle sein, aus der herauszukommen äußerst schwierig werden kann!
ProstSchG: Konzessionen müssen verlängert werden
Eine ganze Reihe von Kundinnen und Kunden, die ihre Konzessionen in 2019 erhalten haben, haben Post von ihren zuständigen Ordnungsämtern erhalten. Die vorliegende Erlaubnis soll nach dem ProstSchG spätestens nach 3 Jahren überprüft werden. Dann heißt es wieder Führungszeugnis beantragen, die Unbedenklichkeit vom Finanzamt bescheinigen lassen und natürlich auch nachschauen, ob das Betriebskonzept und die gemeldeten Akteure (Sicherheitskräfte, Hausdamen und Stellvertreter) noch aktuell sind. Übrigens gibt es mal wieder Bundesländer, die die neuerliche Prüfung ernst nehmen und andere, die es nicht wirklich interessiert. Nicht verschweigen darf man auch, dass es Unmengen von Erlaubnisanträgen gibt, die bereits 2018 gestellt wurden und die noch nicht beschieden wurden. Unglaublich, aber leider wahr und manchmal sogar hilfreich, denn: was nicht abgelehnt wird, wird meistens auch nicht geschlossen. Aber Vorsicht: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Rückblick und Ausblick: Der Zusammenhalt der Branche
26 Monate Corona-Maßnahmen waren eine harte Zeit für die Branche und haben über Gruppen, Verbände und Initiativen für einen sehr starken temporären Zusammenhalt gesorgt. Es wurde analysiert, geredet, diskutiert und mitunter auch schon mal heftig gestritten. Es wurde agiert, demonstriert, Anwälte wurden engagiert oder brachten sich sogar pro bono ein, um der Ungleichbehandlung der Branche die Stirn zu bieten. Vieles ist dabei gelungen, weil sich kluge Köpfe zusammenfanden und weil zielführende Maßnahmen ergriffen wurden.
Der jetzige „Status Quo“ ist ein anderer: einige neue Freundschaften, die in Corona entstanden sind, haben zwar gehalten, aber der inhaltliche Austausch findet momentan nur noch selten statt. Nachdem wöchentliche oder monatliche Zoom-Konferenzen diverser Anbieter mehr und mehr zum offenen launigen Kaffeeklatsch konvertierten, was ja an sich nicht schlimm ist, aber eben kein konkretes Ziel mehr hat, wurde es deutlich ruhiger im Netz und auch die geplante „politische Arbeit“ der Interessengemeinschaft Zukunft Rotlicht scheint gerade kein Ziel der Gruppen mehr zu sein. Das Sexkaufverbot und die inszenierten „mauen Protagonistinnen“ schwirren zwar noch durchs Netz, finden aber in der allgemeinen Gemengelage zum Glück auch nur wenig Zuspruch.
Der „Niedergang“ der Interessen-Gemeinschaft Zukunft Rotlicht
Von den ursprünglich über 50 Betrieben und Privatpersonen, die die Gruppenarbeit in den vergangenen 2 Jahren förderten, sind lediglich 2 übrig geblieben und auch ausgelobte Provisionen für die Unterstützung bei Überbrückungs- und Soforthilfe-Anträgen blieben bedauerlicherweise größtenteils aus. Den Konjunktur-Rückgang verspüren wohl auch die Verbände der Sexarbeit recht deutlich, wie ich kürzlich in persönlichen Gesprächen erfuhr. Sei´s drum … das einzig stete ist nach wie vor die Veränderung. Wer die Arbeit der Interessengemeinschaft weiter oder neu unterstützen möchte, kann dies natürlich jederzeit sehr gerne tun: https://zukunft-rotlicht.info/mitgliedschaft-interessengemeinschaft-zukunft-rotlicht-info-2021/
Zurück zu den publizistischen Wurzeln – Branchen-Informationsdienst geplant
Der schlaue Mann sorgt vor: neben der Arbeit für die zum Glück noch vorhandenen „Stammkunden“, habe ich mein Beratungs-Portfolio bereits in Bereiche außerhalb der Prostitution erweitert. Ich kehre damit auch ein Stück weit zu meinem früheren Schwerpunkt zurück und plane gemeinsam mit weiteren bekannten Partnern Informationsdienste für geschlossene Kundenkreise, bei denen Information eben nicht mehr frei verfügbare „Konsumware“ ist, sondern wo der Mehrwert dann einen messbaren Wert hat.
In diesem Jahr wird das lang geplante Buch „Prostitution 2023?“ als „Vision der Sexarbeit nach Corona“ erscheinen und auch mein 2017 vorgelegtes Arbeitsbuch wird ein Update erhalten, da sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert haben. Auch einen Kongress soll es wieder geben, allerdings nach Absprache mit Christoph Rohr erst im Frühjahr 2023, wenn sich die Branche wieder sortiert hat und wenn denn überhaupt genügend Interesse besteht.
Für heute genug „verkündet“: ich wünsche allen das Beste nach Corona und freue mich weiter auf regen Austausch in der Zukunft! Glück auf!
Ihr / Euer Howard Chance