Prostitution 2017 – Mord und Totschlag im Milieu – Schutzgedanke verfehlt?
In den vergangenen Monaten hörte man mehrmals von „Hurenmorden“ in Deutschland. Ende 2016 wurde eine ungarische Sexworkerin in Chemnitz in ihren Räumen erstochen, im November 2016 wurde zwei Frau in Wolfsburg und Peine (Niedersachsen) getötet und heute wird aktuell über ein weiteres Verbrechen in Freiburg (Schweiz) berichtet, wo ebenfalls eine Sexworkerin ihr Leben verlor. Vorfälle, die es im Bereich der Prostitution schon immer gab und die es auch weiterhin leider geben wird, da es nun mal Triebtäter und Menschen mit entarteten Allmachts-Fantasien gibt und zudem einige Ausführungsformen der Sexwork einfach ein deutlich erhöhtes Risiko haben, mit Straftaten konfrontiert zu werden. Dabei geht es aber nicht immer gleich um Mord und Totschlag: auch Vergewaltigungen, Körperverletzungen und Raubdelikte kommen immer wieder vor.
Falls man nachts in einem dunklen Industriegebiet steht und auf dem Straßenstrich auf Kundschaft wartet, ist man überdurchschnittlich gefährdet, wenn man zu einer unbekannten Person ins Auto steigt. Ähnlich ist es, wenn man in einem anonymen 100-Appartement-Wohnblock alleine arbeitet oder sich als Escort ohne Schutzmaßnahmen zu irgendwelchen unbekannten Orten bestellen lässt. Beim Straßenstrich nützt es da recht wenig, wenn eine Kollegin die Autonummer des Kunden notiert hat oder wenn eine Escort-Lady ihrer Agentur eine Besuchsadresse vorab meldet. Wenn sich der vermeintliche Kunde als Mörder entpuppt, hat die Polizei zwar im Nachhinein mit Autokennzeichen oder mit der bekannten Besuchsadresse zwar sehr wichtige Anhaltspunkte für die Fahndung nach dem Täter, die getötete Person ist dann aber eben schon tot und kann sich über eine Festnahme eben nicht mehr freuen! Klingt brutal und ist es auch!
Relativ sicher ist man als Sexworkerin oder Sexworker, wenn man in einem Club oder einer Wohnung arbeitet, wo Kolleginnen „next door“ sind, die möglicherweise einen Streit oder Hilferufe wahrnehmen und dann umgehend handeln können. Zwar kann auch hier die Intervention zu spät sein oder aber der Hilferuf nicht vernommen werden, wenn ein Täter schnell und entschlossen handelt, aber im Vergleich zu Straße und Escort liegen die sicherheitsrelevanten Vorteile doch klar auf der Hand.
Nun haben wir ja ab Mitte 2017 ein neues „Prostituiertenschutzgesetz“ und da ist das Wort „Schutz“ enthalten, ein Schutz, der aber nur ganz wenig Bezüge zum Schutz von Prostituierten gegenüber gewaltsamen Übergriffen von Kunden enthält. Räume in Prostitutionsstätten und Love-Wohnmobile müssen demnächst Alarm-Knöpfe haben und es müssen dort auch Personen anwesend sein, die im Fall einer Alarmauslöschung schnell handeln können, aber andere Vorschriften des neuen Gesetzes sind sogar in der Sache kontraproduktiv, weil sie statt zu schützen das Risiko sogar erhöhen.
Denn: da Wohnungsbordelle mit mehr als einer dort tägigen Sexworkerin demnächst in fast allen Fällen der Erlaubnis bedürfen und dabei auch baurechtlich bewertet werden, gleichzeitig aber die Ein-Personen-Prostitution in den eigenen Räumen von der Genehmigungspflicht ausgenommen ist, werden wir es in naher Zukunft vermehrt mit Sexworkerinnen zu tun haben, die eben alleine arbeiten und nicht von anwesenden Kolleginnen geschützt werden. Wenn dann ein Täter in der 1:1 Konstellation in der Wohnung ist und man nackt und damit besonders schutzlos mit ihm im Bett liegt, ist man das ideale Opfer und der Täter muss keine besondere Vorsicht walten lassen. Es ist ja niemand in der Nähe, der einschreiten könnte.
In der Konsequenz leistet das Schutzgesetz hier und auch in anderen Punkten einen echten „Bärendienst“, der den Sexworkern nicht hilft. Kein Wunder, das die Verärgerung ständig zunimmt und sich es vielen der Betroffenen erst jetzt nach und nach bewusst wird, was da so alles passiert ist und leider weiter noch passieren wird.