Vor einigen Wochen habe ich auf einer meiner Reisen durch die Republik eine sehr interessante Lady kennengelernt, die sich seit vielen Jahren in der Rotlicht-Szene bewegt, selbst einmal aktive Sexworkerin und Aktivistin war und sich derzeit als Kolumnistin und Autorin mit dem Thema „Prostitution“ beschäftigt und dabei ihren berichtenden Fokus sogar international ausgerichtet hat. Nach einem Treffen in Berlin, hat mir „Ariane“ zugesagt, mich vielfältig zu unterstützen und für MH-Consulting auch Beratungsaufgaben in 2017 zu übernehmen, worüber ich mich sehr freue!
Heute ein erster Beitrag von Ihr, der sich mit dem Thema „Stigmatisierung von Sexworkern“ befasst und dabei auch die Frage stellt, ob Sexarbeit wirklich ein Beruf wie jeder andere ist?
„Stigma und Schweigen“ Kolumne by Ariane
Eines der frustrierendsten Dinge als Sexarbeiterin, zu deren Berufsbild Diskretion gehört, ist es, Angst zu haben, öffentlich zu sprechen und sich in Debatten einzumischen. Aus Angst, sich zu outen. Dies hat mich immer begleitet; die Angst durch andere, geoutet zu werden, hat mich dazu veranlasst, vor Jahren in die Offensive zu gehen. Dies ist aber schlecht für das Geschäft und Image, das war mir klar; und je deutlicher ich sichtbar wurde, mit meiner persönlichen Meinung, meinen Erfahrungen und Überzeugungen, desto stärker fühlte ich, dass es an der Zeit ist, mir einen anderen Job zu suchen.
Nein, Sexarbeit ist kein Beruf wie jeder andere, wie es all jene akklamieren, die auf das Recht auf selbstbestimmte Arbeit pochen. Oftmals ist Sexarbeit die einzige Möglichkeit zu überleben, in Deutschland und weltweit, weil andere Optionen verschlossen sind oder weil man nicht in einem unterbezahlten Job oder in Abhängigkeitsverhältnissen leben möchte. Sei es eine Ehe mit Versorgungsanspruch unter diktierten Bedingungen oder der Weg zum Arbeitsamt. Viele haben das schon hinter sich, auch die Gängelei und den Zwang in manchen Paarbeziehungen, der einem jede persönliche Entfaltungsmöglichkeit raubt.
Es gibt viele gute Gründe, auch unter legalisierten Bedingungen über diese stigmatisierte Arbeit zu schweigen: es ist nicht nur das Stigma und die soziale Bewertung in unserem und anderen Kulturkreisen. Oft sind es auch aggressive oder dominante SexarbeiterInnen mit wenig Sachkenntnis, die die Wortführerschaft beanspruchen, oft privilegierte, artikulierte Personen, die die Wortführerschaft an sich reißen, aber nicht die Interessen aller SexarbeiterInnen miteinbeziehen. Das Privileg von manchen verstellt den Blick auf die miesen Arbeitsbedingungen, unter denen viele werkeln, Bedingungen, die in die Persönlichkeitsrechte eingreifen, die einen stumm machen und weil man das Geld zum Leben braucht. Gelddruck, Abhängigkeiten – wie soll man da laut und öffentlich werden? Eine Frechheit von all jenen, die sich selbst zwar frei geschwommen haben, aber Outings anderer forcieren wollen.
Illegalität, Abschiebung – sollen Sexworker, die davon betroffen sind, den Mund aufmachen? Hirnrissig. Das Stigma verstärkt die Barriere, in Not nach Hilfe zu fragen. Und das Menschenhandels-Narrativ, dass alle Sexworker als Opfer, alternativ Opfer eines falschen Bewusstseins definieren will: da traut sich doch kaum noch eine in die Öffentlichkeit und wird von vorneherein nicht ernstgenommen. Man erkennt es ja alleine schon am Umgang vieler JournalistInnen mit Erotikdienstleisterinnen: immer auf der Suche nach abgewrackten Showstars auf der Strasse oder nach schönen Bildern. Der Voyeurismus der Kamera ist unverhohlen und hält drauf.
Dürfen Frauen nicht einfach sagen, sie machen es für Geld? Nein. Weder gegenüber vielen Kunden, noch gegenüber Prostitutionsgegnern. Gelddruck wird als Überlebensprostitution und somit als ‚unfreiwillig‘ und als Zwang interpretiert. Dabei steht Geldverdienst bei anderen Berufe auch an erster Stelle und nicht allein „Berufung“.
Solange Sexarbeit deutschland- und weltweit gesellschaftlich geächtet ist, wird das Hurenstigma existieren. Die kommende Zwangsregistrierung als Prostituierte in einer „Hurendatenbank“, die im kommenden Prostituiertenschutzgesetz auf alle Sexworker zukommt, verfestigt nur das Stigma. Gleiche Rechte wie in anderen Berufen sehen anders aus.