Die umfassende Regulierung des Prostitutionsgewerbes ist nicht mehr aufzuhalten!
Das „Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen“, soll nach dem Willen der Bundesregierung zum 1. Juli 2017 bundesweit in Kraft treten. Die begriffliche Abfolge – also Regulierung vor Schutz – ist wohl bewusst so gewählt, da sich im Gesetz viel mehr Paragraphen mit Regulierungen befinden, als solche zum „Schutz von Menschen in der Prostitution“. – Während die Politik immer wieder die Schutzfunktion in den Vordergrund zu stellen versuchte, wiesen die Berufsverbände der Prostituierten – aber auch Juristen-Gruppen – schon frühzeitig darauf hin, dass es dem Gesetzgeber wohl hauptsächlich um die Kontrolle und Reglementierung des ungeliebten Bereichs „Rotlicht“ gehen könnte, was sich nun in Gesetzestitel und -inhalt eben deutlich zeigt, wo das im Wortlaut verwendete „sowie“ den Schutzgedanken positionell eindeutig an die zweite Stelle setzt.
In einem Bericht zum Prostitutionsgesetz 2002, den die Bundesregierung 2007 veröffentlichte, wurde deutlich, dass nur ein kleiner Teil der Gesetzes-Ziele erreicht worden war und weiterer Handlungsbedarf im Bereich der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution bestand. Vieles passt heute mehr zum Begriff „Freiwild“, als zur „Freiwilligkeit“. Da der „zuhälterische Generalverdacht“ durch das Gesetz 2002 erheblich gemildert wurde, eröffneten in Folge der neuen Rechtssicherheit immer mehr „Flat-Rate-“ und „Sauna-Clubs“ bundesweit ihre Pforten. Sex wie beim Discounter, günstige „All-you-can-fuck“-Pauschalangebote auch für den kleinen Geldbeutel, veränderten die Sex-Branche merklich. Die Unternehmerinnen aus den ärmeren EU-Staaten, bekamen laut Werk-Vertrag um die 10 Euro als „Fall-Pauschale“ für einen möglichst tabulos durchzuführenden Schnell-Geschlechtsverkehr, was dann auch die etablierten deutschen Erotik-Dienstleisterinnen schockierte, die bislang für einen noch halbwegs „anständigen“ Tarif gearbeitet hatten und sich nun urplötzlich im intensiven Tarif- und Service-Kampf befanden. Fast die gesamte Branche wurde verdorben durch Dumping-Preise, die im Internet geradezu schamlos propagiert wurden. Geiz ist oder macht doch geil, natürlich auch im deutschen Rotlicht-Gewerbe!
Soll man diese Entwicklung nun als „freie Marktwirtschaft“ verstehen? – Angebot und Nachfrage? – Enorme Verbrauchervorteile durch Prostitutions-Liberalismus? – Warum ist plötzlich fast alles erlaubt und möglich? – Gibt es denn überhaupt keine verbindlichen Regeln für das Rotlicht und für die Prostitution?
Nein! – Nicht wirklich! – Denn Konzessionen für Erotikclubs und Zuverlässigkeitsprüfungen für Bordell-Betriebe und deren Betreiber, waren im Gesetz 2002 nicht vorgesehen und vorher, also vor Einführung des ersten Prostitutionsgesetzes, schwieg man sich zu diesem Thema gern völlig aus, da alles „sittenwidrig“ und eigentlich nicht erlaubt, aber merkwürdigerweise doch geduldet war. Gesellschaft und die Politik schauten großzügig weg und die Bordell-Betreiber versuchten ihren Geschäften möglichst unauffällig nachzugehen. Nicht alles wahrnehmen, war auf der einen Seite die Devise, so wie das „Nicht-Auffallen“ auf der anderen. Halt ungeklärte Umstände, mit denen man sich beidseitig arrangierte und dem Markt so der Selbstregulierung überließ. Läuft doch … irgendwie! – Noch immer ist viel einfacher einen Puff zu eröffnen, als die gern zitierte und regelmäßig amtlich kontrollierte Pommes- oder Dönerbude. Solange man keinen Alkohol ausschenkt, was grundsätzlich einer Gaststätten-Konzession bedarf, steht der Eröffnung eines Clubs oder Bordell-Betriebs (noch) nicht viel im Wege, wenn man nicht mit dem Baurecht oder den Sperrgebiets-Verordnungen kollidiert. Am Puff sollte nicht wirklich auf einer Leuchtreklame „Puff AO“, „Club Tabulos“ oder „Zur geilen willigen Stute“ stehen, dann beschwert sich so schnell auch niemand! – War ja schließlich schon immer so!
Wo es keine Regeln gibt, regelt sich der Markt halt selbst! – Vielleicht gut für das Gewerbe, aber eben gesellschaftlich überhaupt nicht akzeptabel in einem Land der Dichter und Denker! – Zumindest nicht auf Dauer! – Nun war also wieder die Politik in der Pflicht!
Die Auswüchse, die die Politik feststellte, sind und waren doch für jeden erkennbar, der einmal „einschlägig“ durchs Internet „gesurft“ war oder es heute noch prüfend tut: Es gab und gibt fast nichts, was es nicht gibt und es haben sich in zunehmendem Maß kriminelle Strukturen etabliert, gegen die womöglich kein „beißendes“ Kraut gewachsen ist.
Die Bundesregierung hat die Lage längst erkannt und beschreibt die aktuelle Situation in dem Beschluss-Antrag des neuen Gesetzes für 2017 folgendermaßen:
„Es fehlt an verbindlichen Mindestvorgaben zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der dort Tätigen und an Rechtsgrundlagen, mit denen die Zuverlässigkeit der Betreiber vorab geprüft und unzuträgliche Auswüchse des Gewerbes unterbunden werden könnten. Das Fehlen behördlicher Aufsichtsinstrumente führt zu Intransparenz und begünstigt kriminelle Strukturen, die sich dieses Defizit zunutze machen.“
Unser Rechtsstaat wird aktiv … auf dem Weg zu ganz neuen Erkenntnissen?- Seit 2007 war das neue Gesetz nun in Arbeit und hat dabei durch die unterschiedlichsten parlamentarischen Prozesse und Beratungen, immer wieder ein leicht verändertes Gesicht erhalten. Mal sollte es strenger sein, mal weniger einschneidend. Aber in jedem Fall sollte „das Milieu“, das nun mal nicht nur aus den gern präsentierten Zwangsprostituierten besteht, sondern auch aus vielen selbstbestimmten Sexworkern – die den staatlichen Schutz einfach nicht brauchen – einen geregelten rechtlichen Rahmen bekommen. Dieser Rahmen sollte bundesweit einheitlich und verbindlich sein. Es allen Betroffenen recht zu machen, ist aber ein Ding der Unmöglichkeit, da vorhandenen Strukturen und Protagonisten einfach viel zu unterschiedlich sind! – Was im einen Fall passt und gewünscht ist, ist eine Türe weiter völlig unpassend, weil ebenso unerwünscht wie faktisch unnötig. – Im Ergebnis ist ein umfangreiches „Gesetzes-Monster“ herausgekommen, dessen organisatorische Umsetzung recht schwierig werden wird, da für Verwaltung, Kontrollen und Beratung eine Unmenge von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern benötigt wird, die sich in die zum Teil sehr komplexe Materie einarbeiten müssen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass vom Beschluss bis zur Einführung des Gesetzes fast genau ein Jahr liegt, was für die Errichtung der notwendigen Strukturen zeitlich auch sicher erforderlich sein wird.
Kontext-Artikel:
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