Stigmatisierung und Ausbeutung von Sexworkern im Mittelalter
Haben Sie jemals etwas von Huren-Schleiern, Huren-Kappen und ähnlichem gehört? Ich bin bei einer thematischen Recherche zur „Stigmatisierung“ über diese Informationen gestolpert und ich habe mich schon gewundert, was sich unsere Vorfahren so ausgedacht haben. Auch im Mittelalter hatten es die Gunstgewerblerinnen schon schwer und die damals überwiegend fromme Gesellschaft hatte neben klaren Regulierungsvorschriften für die Prostitution eben auch Stigmatisierungs-Symbole im Programm. Bei Wikipedia lesen wird dazu:
Die Kleiderordnungen unterschieden sich durch die Zeit des Mittelalters und von Stadt zu Stadt. So mussten Prostituierte in Wien ein gelbes Tüchlein an der Achsel tragen, in Augsburg einen Schleier mit einem zwei Finger dicken grünen Strich in der Mitte, in Frankfurt am Main eine gelbe Verbrämung (Saum) und in Zürich und Bern verdeutlichte ein rotes Käppeli ihre niedrige Standeszugehörigkeit. Ebenso wurde ihnen das Tragen bestimmter Schuhe, Bänder oder Schleier vorgeschrieben bzw. auch verboten. In der Regel waren die farblichen Kennzeichnungen in den sogenannten Schandfarben gehalten: Rot, Gelb oder Grün. Da sich „ordentliche“ (bzw. „anständige und ehrbare“) Frauen im Mittelalter nicht „herausputzen“ durften oder sollten, wurden Prostituierte auch als Hübschlerinnen bezeichnet.
Im christlichen Verständnis des Mittelalters war es nicht ungefährlich, als Hure zu arbeiten, da man einen Status besaß, der deutlich unter dem der „ehrbaren“ Bürger lag. Vergewaltigung von Huren wurde (wenn überhaupt) weniger streng bestraft wie Vergewaltigung an „ehrbaren Frauen“. Zusätzlich bestand auch immer die Gefahr, als Hexe verfolgt zu werden, weil man der so ehrlosen Lust auch immer wieder einen gerazu teuflischen Charakter unterstellte, wenn man vom „bösen Blick der Dirnen“ sprach und Unglücke damit in Zusammenhang brachte.
Spätmittelalterliche Bordellbetriebe -Frauenhäuser!
Ja, Begrifflichkeiten können sich mit der Zeit ändern. Während „Frauenhäuser“ in unserer Zeit als Zufluchtsstätte für misshandelte Frauen und deren Kinder ein wichtig Aufgabe erfüllen und (um beim Begriff zu bleiben) als sehr „ehrbar“ einzustufen sind, waren Frauenhäuser im späten Mittelalter die „Eros-Center“ der Frühzeit, wo ein von der Stadt oder auch der Kirche eingesetzter „Frauenwirt“ die Prostitution in einem städtischen Haus „förderte“! Ja, recht starker harter Tobak, denn die dort beschäftigten Prostituierten hatten nach amtlichen Anordnung „allgemein zugänglich“ zu sein, was bedeutete, dass grundsätzlich alle Kunden bedient werden mussten und das selbst eine täglich Mindestzahl an Freiern festgelegt war! Von dieser Struktur erhoffte man sich eine gewisse Kontrolle über die Prostitution und man(n) hatte dabei die „gefallenen Mädchen“ im Blick, die in einer Zeit, wo es ja keine wirksamen Medikamente gab, auch ein großes Gesundheitsrisiko für die Allgemeinheit darstellten. Staatlich regulierte Prostitution, schon damals!
Noch bis 2002 wäre der „Frauenwirt“ in Deutschland nichts anderes als ein Zuhälter gewesen und die Förderung der Prostitution hätte nach den Gesetzen der Neuzeit bestraft werden müssen. Ob unser Gesetzgeber sich nun wieder „mittelalterliche Verhältnisse wünscht?
Na, das ist ein wenig provokativ gedacht, aber einige Dinge sind nun einmal ähnlich gelagert: dem Staat fehlt damals wie heute der Überblick über die vielfältigen Formen der Prostitution. Sexworker arbeiten gerne im Verborgenen und bieten eben oft auch Praktiken an, die man trotz jetzt vorhandener Medizin als gesundheitgefährdent bezeichnen kann. Zwar will man keine staatlichen Bordellbetriebe schaffen, aber eine Regulierung kann, so die Meinung der Politik, sicher nicht schaden.
Klar kann das den Sexworkern, die ja auch Menschen sind, schaden! Stigmatisierung schafft Kasten! Aber die Politik setzt das so erstrebenswerte Gemeinwohl über das Wohlbefinden einiger „weniger“, wobei die Zahl der „wenigen“ durchaus beträchtlich sein soll! Was denken Sie? Leben wir doch noch ein bisschen wie im Mittelalter?