Gretchenfrage: Geduldeten Betrieb anzeigen oder nicht anzeigen?
In etwas mehr als einer Woche, exakt am 1. Oktober 2017, läuft die im neuen Prostitutionsgesetz bestimmte Anzeigepflicht für Betreiberinnen und Betreibern von Prostitutionsgewerben, Prostitutionsstätten und Prostitutionsfahrzeugen ab, die ihr Gewerbe nachweislich bereits vor dem 1. Juli 2017 betrieben haben. Trotz meist vorhandener alten Gewerbeanmeldung und trotz einer Bordellgenehmigung, die viele Betriebe bereits seit Jahren haben, muss nun durch das neue Gesetz alles in die neuerliche strenge Prüfung!
Wer die Frist versäumt und die Anzeige nicht rechtzeitig (also bis zum 1. Oktober 2017) beim zuständigen Amt einreicht, verliert das Recht den Antrag auf Genehmigung eines Prostitutionsgewerbes innerhalb der Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2017 zu stellen. Ein verspätet eingehender Antrag kann zu einer Betriebsuntersagung führen und der Betrieb kann dann erst wieder aufgenommen werden, wenn der Antrag irgendwann abschließend bearbeitet wurde. Angesichts der Komplexizität der Angelegenheit, kann dies bei nicht vorbereiteten Behörden durchaus Monate dauern!
Man hüte sich, aus Nachlässigkeit den Termin zu versäumen und dem Amt den Ball auf den Elfmeter-Punkt zu legen!
Interessanterweise zeigen sich die „zuständigen Behörden“ in vielen Bundesländern, mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen und Bayern, recht entspannt und unwissend. Es wird von nicht geklärter Zuständigkeit gesprochen, von der Anzeigepflicht hat man nichts gehört und welches Amt der Adressat der wichtigen fristgebundenen Meldung ist, weiß man auch vielerorts nicht!
Wenn man als Betreiberin und Betreiber solche amtliche Antworten bekommt, wähnt man sich in Sicherheit und schimpft womöglich auf Leute wie mich, die den Finger frühzeitig warnend erhoben haben.
Auch wenn es der angesprochene Sachbearbeiter vor Ort gar nicht böse meint, sprechen wir im Ergebnis von einer versäumten Frist, die man nur schwerlich „heilen“ kann. Der Umstand „passiert ist passiert“ nützt später wenig und man sollte sich nicht abwimmeln lassen! Wenn gar nichts anderes mehr hilft, sollte man als gesetzestreuer Betreiber das Dokument in der jeweiligen kreisfreien Stadt oder dem zuständigen Kreis an den Verwaltungsleiter (Oberbürgermeister, Kreisdirektor etc.) zustellen und dies natürlich per „Einschreiben mit Rückschein“, damit man die Zustellung später zweifelsfrei dokumentieren kann.
Die Situation ist völlig absurd und durch den angewandten Föderalismus und wirklich ungeklärte Zuständigkeiten kann man „am Ende des Tages“ absolut im Regen stehen!
Soweit meine Ausführungen zu den „Betrieben“ und „Stätten“, die bau- und gewerberechtlich genehmigt sind! Doch bezogen auf die Anzeigepflicht, beschäftigt mich und meine Kollegen eine viel schwerwiegendere Frage:
Was machen Betreiberinnen und Betreiber, deren Objekte und Betriebe „nur geduldet“ sind und deren amtliche Genehmigung damit ziemlich in den Sternen steht?
Wenn ich dem Amt schriftlich erkläre, dass ich, Herr/Frau YX bereits vor dem 1. Juli 2017 an einem Ort XY ein genehmigungspflichtiges Prostitutionsgewerbe betrieben habe und auch weiter betreibe, lege ich ja ein umfangreiches entlarvendes „Geständnis“ ab!
Die „Duldung“, die ja juristisch als das (vorübergehende) Nichteinschreiten gegen bekannte Missstände gewertet werden kann, begründet in der Regel keinen Rechtsanspruch auf Fortsetzung und zudem können Ämter zur Not auch das „Nichtwissen des Umstands“ behaupten. In den seltensten Fällen wird man die „Duldung“ als amtliches Schriftstück vorliegen haben.
Bezichtige ich mich nun in dieser „Grauzone“ durch meine eindeutige „Anzeige“ eines ordnungsrechtlichen Verstoßes, wenn ich beispielsweise Wohnraum „zweckentfremdet“ habe, ist mein selbst gefertigtes Schriftstück ein Beweismittel, das ich nie wieder aus der Akte bekomme und das dem Amt weitreichende Möglichkeiten bietet! Selbstmord mit Ansage?
Zwar gibt es in diesem Zusammenhang auch Urteile, die aus jahrelanger „Duldung“ ein Gewohnheitsrecht ableiten, aber es handelt sich hier um Einzelfallentscheidungen, die nicht repräsentativ sind!
Noch schwieriger wird die Angelegenheit, wenn nicht klar zu erkennen ist, ob ich z.B. automatisch Betreiberin oder Betreiber eines Prostitutionsgewerbes werde, wenn ich lediglich (möblierte) Zimmer vermiete, die sowohl dem Wohnen als auch der Prostitution dienen. Gerade große Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften mit umfangreichem Wohnungsbestand, wissen manchmal gar nicht, zu welchem besonderen erotischen Zweck angemieteter Wohnraum verwendet wird.
Wenn ich hingegen möblierte Appartements öffentlich bewerbe und gezielt als „Räume für Prostitutionszwecke“ offeriere, kann ich mich nur schwer „herausreden“!
Viele Vermieterinnen und Vermieter machen sich nun, eine Woche vor Ablauf der Anzeigepflicht, nochmals intensive Gedanken und versuchen die Abwägung zwischen Pest und Cholera. Geht man auf Risiko und lässt allem seinen Lauf oder meldet man unklare Verhältnisse schriftlich und unterwirft sich damit gänzlich dem amtlichen Wohlwollen?
Den „goldenen Mittelweg“ gibt es wohl nicht und die Entscheidung ist sehr kompliziert, weil möglicherweise unglaublich folgenreich! Letztendlich kann kein Anwalt oder Berater diese Entscheidung treffen! Der Anwalt kann als „Organ der öffentlichen Rechtspflege“ unmöglich zu „schrägen Methoden“ raten und an Präzedenzfällen mangelt es absolut. Quo vadis?