Publizist Howard Chance deckt auf – Eine Presseschau mit zwinkerndem Auge
In meiner Presseschau präsentiere ich regelmäßig ausgewählte Nachrichten und Artikel zum Thema Prostitution und Prostitutionsgesetz, um diversen Meinungen und Entwicklungen deutschlandweit nachzugehen. Es ist für mich wichtig Informationen zu sammeln und diese falls nötig auch kritisch zu hinterfragen.
Der Artikel aus dem Express vom 23. September 2016 fiel mir sofort ins Auge, als ich ein wenig auf Kölner Boulevard machte und online in der alten Wahlheimat vorbeischaute:
Kritik an neuem Gesetz – Warum Escort-Damen jetzt als Huren gelten
Sofort schoss mir der Gedanke in den Kopf: ja, als was galten die Huren denn in Köln vor dem „jetzt“, also in der Vergangenheit? – Und was hat das neue Gesetz damit zu tun?
Doch der Express legt sogar noch nach und versieht das Titelbild, welches eine schlanke fast unbekleidete Dame mit Strapsen und Handschellen zeigt, mit der ebenfalls sehr intelligenten Bildunterschrift:
„Der Job bei einem Escort-Service wird zur Prostitution.“
Der Inhalt des Berichts der Kollegin Solveig Giesecke, bezieht sich dann auf die Auswirkungen des neuen Prostitutionsgesetzes und die damit verbundenen einengenden Regularien, wobei übliche Klischees wie Schutzlosigkeit in der Illegalität als Folge des neues Gesetzes und die markante Feststellung „das Gesetz ist für die Tonne“ nicht fehlen. Zum Thema „Escort“ wird die Rechtsexpertin Frau Prof. Dr. Maria Wersig von der Fachhochschule Dortmund angeführt, die dem Express wohl mitgeteilt hat, dass
„… ein Mann oder eine Frau, die für einen Escort-Service arbeiten, sich künftig als Prostituierte anmelden müsse.“
Ja, das steht so im neuen Gesetz, aber ändert doch nichts an der Tatsache, dass Escort-Damen und -Herren schon seit Jahrzehnten zu Haus- und Hotelbesuchen aufbrechen und dort sexuelle Dienstleistungen anbieten und vollziehen. Das „Sex gegen Geld“ schon immer als Prostitution galt, scheint nur unsere Kölner Reporterin zu überraschen. Hätte sie mal ein wenig im Internet recherchiert, hätte sie schnell festgestellt, dass es bundesweit Hunderte von Escort-Agenturen gibt, die mit den erotischen Leistungen ihrer Mitarbeiter(innen) nicht geizen, sondern diese ausführlich in geschmackvoller bis geschmackloser Weise öffentlich kommunizieren.
Gerade beim Express gibt es erfahrene Milieureporter, die ich persönlich kenne, und denen wahrscheinlich auch die Brille etwas beschlagen ist, als sie die vermeintliche Entrüstung der jungen Kollegin im eigenen Blatt lesen mussten. Die Kölner Escort-Damen konnten die Intention des Artikels sicher auch nicht so ganz verstehen. Klar, der Begriff „Escort-Lady“ klingt edel und weltgewandt, während „Hure“ den Duft der großen weiten Welt eindeutig vermissen lässt und nach dem Duden der Gossensprache entstammt. Zur Beruhigung des Gemüts, stelle ich einmal fest, dass aus unserer Escort-Lady durch das neue Gesetz mitnichten eine „Hure“ wird! – Die Escort-Lady bleibt das, was sie ist, nämlich eben eine Escort-Lady und muss dem Amt in 2017 mitteilen, dass sie der „Prostitution“ in spezieller Form nachgeht. Dass ist von der Begrifflichkeit zwar auch nicht wirklich prickelnd und die Anmeldepflicht ist zudem auch sehr unerfreulich, aber niemand degradiert die Ladies aus dem schicken Hochpreis-Bereich hier in niedere Dienstränge.
Der reißerische Titel, der nach einem unglaublichen Skandal klingt, ist einfach blanker Unsinn und hat weder aufklärerische Qualität noch rhetorischen Scharfsinn. Hoffentlich lesen wir nicht demnächst im Express:
Unglaublich! – Warum Kardinal Woelki jetzt als katholischer Priester gilt …
oder
Sensation! – Ex-FC-Torwart Toni Schumacher bekennt schon immer ein Fussballer gewesen zu sein …
Wir wollen es der lieben Kölner Kollegin natürlich verzeihen, dass sie offensichtlich sehr milieufremd unterwegs ist, empfehlen ihr aber bei kommenden journalistischen Projekten doch eine etwas intensivere Recherche.
Autor: Howard Chance – Publizist – 19.10.2016
Den ganzen Artikel gibt es zur Nachlese unter folgendem Link: