Fehlmeldungen verwirren die Sexworker-Branche:
„Heureka“, rief Archimedes von Syrakus angeblich aus seiner Tonne und rannte anschliessend nackend durch die Stadt, nachdem er im schnöden Badetopf eine wichtige philosophische Entdeckung gemacht hatte.
Ich habe in den vergangenen Tagen beobachtet, dass auch einige Leute in der Erotikbranche bereits auf „Feiermodus“ umgeschaltet haben, weil ja nun, so wurde es mir jedenfalls in der vergangenen Nacht bei einem Termin in einem niedersächsischen Rotlicht-Betrieb stolz berichtet:
„das neue Prostitutionsgesetz wieder vom Tisch ist!“
„Oh, das klingt ja gut! – Wo habt Ihr das denn gehört“, war meine andächtige Frage, die mich natürlich als „Berater“ sofort disqualifizierte.
„Na, Howard, steht doch überall im Internet! – Die Dona Carmen hat sich durchgesetzt. Das ist eine Domina aus Frankfurt, die es der Angela Merkel mal so richtig gezeigt hat!“
OK, auch wenn Dona Carmen keine leibhaftige Domina ist, sondern ein Verein, der sich für die politischen und sozialen Rechte von Prostituierten einsetzt, war mir sofort klar, welche Nachricht für die gute Laune verantwortlich war: nämlich die Ankündigung einer Verfassungsbeschwerde durch den Frankfurter Verein, der in der Sache mal wieder eine lobenswerte Vorreiterrolle übernommen hat.
Die blosse Ankündigung einer Verfassungsbeschwerde reicht also mancherorts schon aus, um einen Sieg zu feiern, der leider überhaupt noch nicht errungen wurde. Seltsam oder sympthomatisch?
Ich hatte jedenfalls Mühe, den netten Puffbetreibern vor Ort zu erklären, dass die Einreichung einer Verfassungsbeschwerde keine Garantie dafür ist, dass diese dann im Ergebnis auch erfolgreich sein wird. Schließlich gehen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach offiziellen Statistiken mehrere Tausend von Begehren ein, wovon aber die wenigsten mit Erfolg gekrönt sind. Zwar bietet Dona Carmen mit dem Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik einen gewieften Experten auf, der die Beschwerde ganz sicher kompetent und juristisch absolut versiert formulieren und begründen wird, aber was dann das Bundesverfassungsgericht dazu wann und wie entscheiden wird, steht sowohl inhaltlich wie zeitlich völlig in den Sternen.
Diese, also meine persönliche Einschätzung, habe ich ja in einem Artikel der vergangenen Tage, bereits erläutert und recht umfangreich dargestellt, aber zumindest in der letzten Nacht spürte ich doch einen gewissen Argwohn: der Howard gönnt uns einfach den Erfolg nicht! – Betonung auf „uns“, weil ja scheinbar alle bereits an einem Strick gezogen haben!
Man kann Feste feiern, wie sie fallen. Wenn die Feier schön ist, interessiert es doch auch niemanden, was denn überhaupt der Anlass war?
Ich möchte an dieser Stelle davor warnen in irgendeine Euphorie zu verfallen, die den Umständen überhaupt nicht angemessen ist.
Die Initiative von Dona Carmen e.V. ist unbedingt zu begrüßen und zu unterstützen, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir ein Gesetz haben, das vom Bundestag verabschiedet, vom Bundesrat durchgewunken und abschließend auch von Bundespräsident Gauck unterschrieben wurde. In den letzten Tagen erfolgte die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt, was immer der letzte Akt eines Gesetzgebungsverfahrens ist.
Wenn das von Herrn Starostik noch auszuarbeitene Verfahren kein Eilverfahren sein sollte, wovon ich momentan ausgehe, wird die Verfassungsbeschwerde erst nach Einführung des Gesetzes erfolgen! – Wir haben dann ab 1. Juli 2017 ein gültiges Gesetz, das natürlich dann auch angewendet wird und auf das sich die Behörden natürlich organisatorisch vorbereiten!
Leider geht dieser sehr wichtige Aspekte in der aktuellen Berichterstattung leicht unter und es gibt sogar einige Aktivisten, die mich dazu aufgefordert haben, diesbezüglich die Klappe zu halten! Unglaublich! – Wahrscheinlich denken diese Leute, das durch meine Relativierung der positive Werbeeffekt für Dona Carmen e.V. verloren geht und sicher weniger Leute für die Unterstützung finden?
Nein, ich werde keine Tatsachen verschweigen, die meine Kunden, aber auch alle anderen dazu bringen könnten, sich hier in falscher Sicherheit zu wähnen!
Die Pflichten zur Anmeldung und Konzessionierung werden ab 1. Juli 2017 gelten. Auch die Werbeverbote kommen zum Stichtag und wer sich nicht an das Gesetz hält, verstößt dagegen. Das Gesetz ist kein Gespenst, sondern leider eine Realität und selbst wenn das Bundesverfassungsgericht vielleicht in 2018 einige Passagen des Gesetzes kippt, ändert das für den Ist-Zustand am 1. Juli 2017 überhaupt nichts! – Die Folge: der Champagner muss vorerst noch in der Flasche bleiben! – Oder nicht?
Autor: Howard Chance – Publizist – 28.10.2016
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