Frankfurter Neue Presse – Tantra – Prostitution oder Lebenseinstellung?
Die „Frankfurter Neue Presse“ berichtet am 11. Juli 2017 unter der Themenfrage „Tantra – Prostitution oder Lebenseinstellung?“ von einem Interview, das die Journalistin Olivia Heider mit der Betreiberin eines Offenbacher „Tantra-Massage-Studios“ führte und das die aktuelle Problematik „Tantra = Sex = Prostitutionsgewerbe?“ intensiv beleuchtet.
Durch das neue Prostitutionsgesetz, das zum 1. Juli 2017 plangemäß in Kraft getreten ist, fallen Tantra-Studios, die sexuelle Elemente wie Stimulation und erotische Happy Ends anbieten, unter die amtliche Erlaubnispflicht und die Masseurinnen (und manchmal auch Masseure) benötigen den gleichen „Ausweis“ wie die Kolleginnen und Kollegen, die in Bordellen und Laufhäusern deutlich erweiterte Dienstleistungen anbieten.
Nun können natürlich, wenn man auf den Titel des Interviews anspielt, sowohl Prostitution wie Tantra Lebenseinstellung sein, doch der Tenor ist ein etwas anderer!
Yvonne, die Tantra-Masseurin, betrachtet Sexualität als Lebensenergie, obwohl sie solche wohl nicht anbietet. Es geht um Berührung und Kennenlernen, wobei beide Protagonisten zwar nackt sind, es aber nicht zum Austausch „sexueller Energie“ kommt, weil dies eben nicht gewollt ist. Es ist von einer „Herz-zu-Herz-Verbindung“ die Rede, die entsteht und das Geschehen prägt. Liebevolle Nähe, an deren Ende dann aber doch eventuell ein Orgasmus steht, der aber nicht schnell herbeigeführt wird und den man nicht propagiert.
Das klingt nun doch ein wenig abstrakt und wie nicht von dieser Welt: ich habe aber zum Glück persönliche Erfahrung mit Tantra-Anwendungen und verstehe so, anders als unbeteiligte Personen, schon, worum es geht. Sinnlichkeit als Maxime und der vom Klienten oft gewünschte entspannende Orgasmus als Abschluss. Wenn man(n) dies denn mag!
Herz und Seele zu erreichen, ist ein schönes Ziel, aber das kann doch auch jederzeit bei einem gelungenen Escort-Date passieren, bei dem auch erweiterte Erotik stattfindet!
Wo ist denn die Grenze und wer will dies marginal festlegen und überprüfen? Tantra-Anbieterinnen unterstellen den Sexworkern mitunter, dass diese sich darüber amüsieren, dass die „berührenden Damen“ nun das gleiche Schicksal haben, wie sie selbst. Hier gibt es geradezu ein „Kasten-Denken“, das in „gut“ und „schmutzig“ verteilt. Das manuelle Happy End ist gerade noch sauber und vertretbar, aber blasen und ficken mit Kondom ist total schmutzig? Merkwürdig!
Das Risiko einer Schmierinfektion dürfte beim Handjob ohne Kondom höher sein und beim Handjob ist weder Präservativ noch Handschuh vorgeschrieben!
Ich weiß, dass ich mir mit dieser Zuspitzung in Tantra-Kreisen sicher keine Freunde mache, aber ich sehe die Unterschiede zwischen der „vergeistigten Lebenseinstellung“ und einer „lustvollen schönen käuflichen Erotik“, die durchaus vorkommen soll, nicht wirklich. Übrigens gibt es ja auch „rotes Tantra“, wo „Vereinigungsrituale“ (Geschlechtsverkehr) integriert werden, die dem „Fluss der Energie“ dienen. Auch eine schöne Metapher, die ein wenig sinnlich verschleiert.
Das Argument, dass Tantra- / Erotikmassage der Gesundheit dient, glaube ich gerne. Aber auch der Geschlechtsverkehr tut dies und ist meiner Meinung nach nicht zu verteufeln.
Doch vielleicht weigere ich mich einfach nur, die „großen Unterschiede“ zu erkennen? Auch nach mehrmaligen Brille putzen will mir diese Wahrnehmung nicht ins Auge springen!
Ob der Gesetzgeber dies anders sieht oder sehen kann, wird sich zukünftig zeigen, da ja einige Tantra-Verbände eine Gesetzesänderung erreichen möchten. Ob da esoterische Ansätze sowie schwarz/weiß bzw. rot/weiß Argumente zählen, lassen wir heute einfach mal offen. Welche Frage bleibt am Ende offen:
Gibt es wirklich gute und schlechte käufliche Sexualität, die sich nur durch Verpackung und den Umfang der Praktiken unterscheidet?
Den Artikel der „Freien Neuen Presse“ finden Sie unter:
http://www.fnp.de/rhein-main/Tantra-Prostitution-oder-Lebenseinstellung;art801,2707689