Finanzamt versus Prostitutionsgesetz – Branche vor dem Ruin?

Finanzamt versus Prostitutionsgesetz - Branche vor dem Ruin?Finanzamt versus Prostitutionsgesetz – Branche vor dem Ruin?

Bedingt durch einen Besuchstermin im Süden der Republik, bin ich auf einen Umstand aufmerksam geworden, der für nahezu alle sogenannte „Bordellbetriebe“, die nach dem 1. Juli 2017 dann den recht bizarren Namen „Prostitutionsstätten“ tragen werden, eine bedrohliche Dimension darstellt, einen Umstand, bei dem Regelungen des neuen Prostitutionsgesetzes im krassen Widerspruch zur finanzamtlichen Praxis stehen!

Worum geht es? Bei einer Betriebsprüfung wurde einem engagierten Betreiber, der gewerblich Zimmer an selbständige Sexworker vermietet, unterstellt eine Art „Generalunternehmer“ zu sein, der folglich für die zu zahlende Umsatzsteuer der Mieterinnen aufzukommen hätte!

Er soll also für den Hurenlohn, den er weder gesehen, noch erhalten hat, die 19% Umsatzsteuer rückwirkend zahlen, weil es das Finanzamt so will und es angeblich höchstrichterliche Urteile gibt, die diese Verfahrensweise ausdrücklich billigen!

Wenn eine „gewerbliche Zimmervermietung“ nach aussen, z.B. in Form einer eigenen Homepage, den Eindruck erweckt, ein „Komplett-Betrieb“ zu sein, der aktiven Einfluß auf die Förderung des Prostitutionsgeschäfts nimmt, wenn Alarmsysteme, Überwachung und Security vorhanden sind, unterstellt das Finanzamt „einfach“, dass die Mietverträge nur fingiert sind und das alle im Haus entstehenden Umsätze dem Betreiber der Betriebsstätte zuzurechen sind.

Nach dieser Logik, hätten nahezu alle Bordell-Betriebe und Eros-Center jederzeit mit der entsprechenden Keule des zuständigen Finanzamtes zu rechnen und in großen Betrieben können dann schnell mehrere Millionen Euro Umsatzsteuer zusammenkommen, bei denen man dann Steuerhinterziehung unterstellt, die Fahndung einlaufen lässt und Existenzen vernichtet!

Geradezu skurril ist in diesem Zusammenhang, dass im neuen Prostitutionsgesetz klare Vorgaben enthalten sind, was Security und Alarmsysteme anbelangt: beides muss bei bestimmten Betriebsgrößen zwingend vorhanden sein! Beachtet man diese amtlichen Vorschriften, liefert man den Finanzämtern ein Stück weit den Beweis eben Bordellbetrieb zu sein und damit als Generalunternehmer für jegliche Umsatzsteuer im Haus zu haften!

Das klingt mal wieder, als hätte ich mir eine zu große Haschisch-Pfeife reingezogen oder aber die Vodka-Flasche bis zum Boden geleert, aber leider ist das, was ich gerade beschreibe Realität und kein Einzelfall! Auch Pascha-Chef Hermann Müller kämpft gerade in einem ähnlich gelagerten Fall in Augsburg um sein Recht

Die Unglaublichkeit der Vorgänge veranlasst mich persönlich, die vom Finanzamt genannten
Präsedenz-Urteile unbedingt einmal auf Stichhaltigkeit überprüfen zu lassen, zum einen, weil mir der Kunde aufrichtig leid tut und nach den Gesetzen der Logik solche Regelungenundenkbar erscheinen, zum anderen kann sich der Vorgang in Hunderten von weiteren Fällen von heute auf morgen ergeben, wenn eine Betriebsprüfung stattfindet und der Prüfer um die Vorgehensweise weiß, die vermeintlich viel Gewinn für den Staat bringt.

Die Anwälte von Hermann Müller verweisen in diesem Zusammenhang übrigens auf die Notwendigkeit, die Bordellbesteuerung vom EUGH (Europäischen Gerichtshof) generell prüfe zu lassen und haben beim Landgericht Augsburg angeregt und beantragt, den Ausgang eines anhängigen EUGH-Verfahrens abzuwarten, bevor der Fall Müller weiter verhandelt wird. Die Presse hat bislang lediglich vom ersten Verhandlungstag berichtet, aber nicht publiziert, ob das Verfahren nun ruht! Ich werde hier in den kommenden Tagen beim Kölner Pascha-Team nachfragen, da die sicher erfolgte Entscheidung des Augsburger Landgerichts eine ganz entscheidende Bedeutung für die gesamte Branche und auch für meinen stark gebeutelten Kunden hat!

Die Frage, welche „Fakten“ man nun in sein zu erstellendes Betriebskonzept schreibt, kann man so momentan sicher nicht schlüssig beantworten. Erklärt man dem Ordnungsamt schriftlich, dass man einen Bordellbetrieb betreibt, ist dies eine Steilvorlage für die Finanzbehörden und fast schon wirtschaftlicher Selbstmord!

Da läuft offensichtlich etwas gewaltig schief im Staat und die möglichen Konsequenzen sind für die Branche absolut existenzbedrohend!

Damit verglichen, sind die „Einwände“ von Dona Carmen und Gefolge, mit denen nun im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde argumentiert werden soll, fast banal! Man sollte zwar hier keine Äpfel mit Birnen vergleichen, aber offensichtlich höchst brisante Themen gehen im Moment wohl im „Gedöns“ unter und die Presse hat die Schmuddelkinder und deren Geschäfte nach wie vor nicht lieb. Warum auch? Und der Staat macht ja nun wirklich keinen Hehl daraus, was er von Prostitution im speziellen so hält:

Bluten sollen sie, die Ausbeuter und zwar auch, wenn sie nachweislich gar nicht ausbeuten?

Wieviel Rechtsstaatlichkeit ist da noch gegeben, wenn das Finanzamt willkürlich handelt und soliden Betrieben die Existenzgrundlagen schlagartig entzieht? Wo finden sich nun Experten, die engagiert gegen die staatliche Willkür kämpfen und was kann man tun, um der Logik wieder zum Recht zu verhelfen?

http://prostitution2017.de/schutzgesetz/2017/03/23/prozess-hermann-pascha-mueller/

Ein Kommentar zu “Finanzamt versus Prostitutionsgesetz – Branche vor dem Ruin?”
  1. Howard,
    wozu die Aufregung? Die Lösung, wie sie von „gewerblichen Zimmervermietern“ z.B. hier bei uns in Berlin angewendet wird ist doch recht simpel: Kein Zimmer ohne Steuernummer. Da es sich bei den „Sexworkern“ um Einzelunternehmerinnen handelt die auf eigene Rechnung tätig sind, nehme ich an, dass diese nicht nur mit §§ 140 ff. AO i. V. m. § 22 Abs. 6 UstG vertraut sind, sondern auch umsetzen und somit ihren steuerlichen Pflichten als Einzelunternehmerinnen nachkommen. Alles andere ist schlicht Steuerhinterziehung. Die Aussage: „Er [der Betreiber] soll also für den Hurenlohn, den er weder gesehen, noch erhalten hat, die 19% Umsatzsteuer rückwirkend zahlen, weil es das Finanzamt so will […]“ kann nur dann stimmen, wenn keinerlei Beweise dafür vorliegen, dass die Einzelunternehmerinnen auch tatsächlich steuerlich erfasst sind und sich diese u.A. für die Kleinunternehmerreglung entschieden haben. Da wir in einem Rechtsstaat sind, kann ich mir kaum vorstellen, dass das Finanzamt derart willkürlich handeln würde und auch darf. Besteht aber tatsächlich keine andere Möglichkeit, um an die von den Sexworkern hinterzogenen Umsatzsteuern heranzukommen, ist das vorgehen des Finanzamtes völlig gerechtfertigt und scheinbar auch gesetzeskonform. Hier sei noch einmal darauf hin zu weisen, dass Deutsche Steuernummern nur an Personen vergeben werden können die sich für gewöhnlich in der Bundesrepublik aufhalten und das auch nur vom Wohnsitzfinanzamt welches für den Wohnsitz zuständig ist an dem sie melderechtlich erfasst sind! Ob der Berliner Zimmervermieter mit seiner Vorgehensweise bestimmte Personengruppen ausgrenzt ist Nebensache. Hauptsache, das Geschäft läuft und er braucht keine Angst vor dem Finanzamt zu haben.
    -Alex Kempkens

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