Sexworker und Steuerpflicht – Was sagt der Bundesrechnungshof?
Mir fiel in den vergangenen Tagen ein umfangreicher Bericht des Bundesrechnungshofes in die Hände, der sich sehr detailliert mit der „Besteuerung“ von Sexworkern in Deutschland befasst und der die Gesamtsituation recht eindrücklich schildert. Auch wenn der genannte Bericht von 2014 datiert, dürfte sich im wesentlichen nicht viel geändert haben, da es nach wie vor keine bundesweit einheitlichen Regelungen gibt, die vom Bundesrechnungshof angemahnt worden waren.
Grundsätzlich unterliegen alle selbständigen Sexworker/Prostituierte, die in Deutschland tätig werden, den folgenden Steuern:
Einkommensteuer
Diese ist eine Gemeinschaftssteuer, die auf das Einkommen natürlicher Personen erhoben wird, wobei die Herkunft des Einkommens völlig egal ist und natürlich auch, wie bei der Prostitution, aus „gewerbsmäßiges Unzucht“ (Zitat BFH) resultieren kann. Alle Euros, die man
durch gewerbsmäßiges Tun einnimmt, sind steuerpflichtig! – Die Einkommensteuer wird nach bestimmten Schlüsseln zwischen Bund, Ländern und Kommunen aufgeteilt.
Umsatzsteuer
Im Volksmund kennt man diese Steuer auch als Mehrwertsteuer: sie fällt bei Lieferungen und Leistungen von Unternehmen an, wobei man die Sexworkerin hier wirklich als selbständige Unternehmerin ansieht, die ab einem Jahresumsatz von 17.500 € zur Entrichtung bzw. Weiterleitung von Umsatzsteuer in Höhe von derzeit 19% verpflichtet ist. Auch die Erträge dieser Steuerart werden zwischen Bund, Ländern und Kommunen geteilt.
Gewerbesteuer
Die Gewerbesteuer wird von den Kommunen für örtlich ansässige Unternehmen erhoben, verbleibt ausschließlich in den kommunalen Kassen und ist hier eine wichtige Einnahmequelle. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in 2012 entschieden, dass auch selbständige Prostituierte zur Gewerbesteuer herangezogen werden können, auch wenn das Gewerbe nach der Gewerbeordnung nicht wirklich existiert. Der BFH stellt „jede selbständig nachhaltige Tätigkeit“ einem Gewerbebetrieb gleich. Damit werden Prostituierte gewerbsteuerpflichtig, wobei gezahlte Gewerbesteuer aber mit der Einkommensteuer aufgerechnet werden kann: sie mindert dann deren Höhe, da die Gewerbesteuer im Prinzip wie eine Betriebsausgabe behandelt wird. Die Höhe der sogenannten „Hebesätze“ differiert von Kommune zu Kommune und die Gewerbesteuer wird grundsätzlich auch erst ab bestimmten Erträgen (Gewinnen) fällig.
Sexsteuer
In einigen Städten und Gemeinden wird eine „Sexsteuer“ als Sonderform der kommunalen Vergnügungssteuer erhoben. Davon sind auch Prostituierte betroffen, die dann lokal nach „Veranstaltungstagen“ oder alternativ nach „Veranstaltungsfläche“ veranlangt werden.
Soweit die Theorie – Doch was kommt in der Praxis dabei bei den Steuerbehörden wirklich an?
Damit befasst sich eben der Bundesrechnungshof, der die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand regelmäßig überprüft und dabei auch immer wieder Missstände aufzeigt:
Obwohl durch Prostitution Einnahmen vom mehreren Milliarden Euro jährlich erzielt werden, erlangt der Fiskus hieraus keine nennenswerten Steuereinnahmen.
Diese gravierende Feststellung trifft der Bundesrechnungshof in seinem Begleitschreiben zum Bericht an den Finanzausschuß des Deutschen Bundestags.
Leider gibt es im Bericht dann keine wirklich verlässlichen Zahlen dazu, was denn nun nicht „nenneswert“ ist. Da kann der Betrachter dann nur mit mathematischen Variablen rechnen, die aber eben auch auf willkürlichen Annahmen beruhen: bei mehreren unbekannten Werten ist die Endrechnung dann nicht sehr aussagekräftig.
Der Bundesrechnungshof unterstellt den deutschen hauptberuflichen Sexworkern einen Jahresumsatz von 30.000 bis 120.000 € und begründet diese Annahme mit Zahlen, die aus Verfahren beim Bundesfinanzhof anhängig waren. Im hauptamtlichen Segment rechnet der Rechnungshof mit angenommenen 100.000 Personen.
Bildet man den Mittelwert zwischen 30.000 und 120.000 €, landet man bei 75.000 € im Schnitt, woraus eine unbereinigte Umsatzsteuer von etwas über 14.000 € entstehen würde. Wenn man 14.000 € mit 100.000 Personen multipliziert sind das 1,4 Milliarden Euro und wenn man einen persönlichen „Ertrag“ von 40.000 € unterstellt und bei der Berechnung der Einkommensteuer mit 25% rechnet, kommt eine weitere Milliarde Einkommensteuer hinzu.
Doch obwohl der Bundesrechnungshof die tatsächlichen Einnahmen nicht beziffert, stellt er sehr anschaulich fest, warum die Gelder eben kaum fließen:
Die Sexworker sind nach dortiger Darstellung „Nomaden“, die sehr oft das Revier wechseln, im gesamten Bundesgebiet unterwegs sind und häufig überhaupt keine Steuernummer besitzen, weil es kein zuständiges Wohnsitz-Finanzamt gibt oder dieses mehrfach wechselt. Ein Alptraum für die Beamten, die einfach nicht zur Steuerklärung schriftlich auffordern können, da Zuständigkeiten wechseln.
Die Anregung des Bundesrechnungshofes mündet dann in einer Analogie zum „Düsseldorfer Verfahren“, wo auf freiwilliger Basis tägliche Vorab-Pauschalen abgeführt werden. Würde man statt Freiwilligkeit hier eine Pflicht einführen und würde man den täglichen Abschlag auf 25 € festlegen, kämen hypothetisch täglich 25.000.000 € zusammen, was jährlich dann auch fast einer Milliarde an Einnahmen entspräche.
Aber eben alles blanke Theorie, die einfach nicht zu den Strukturen des Milieus passt, wo ja im Bereich der Zahlung für sexuelle Dienstleistungen fast nur Bargeld verwendet wird und wo die Behörden nur bei Unachtsamkeit der Dienstleisterin auf reale Erträge aufmerksam werden, wenn diese zum Beispiel Statistiken oder ein reales Haushaltsbuch führt.
Der Bundesrechnungshof hatte angeregt, die Frage der Besteuerung von Prostitution parallel zum neuen Prostitutionsgesetz bundesweit einheitlich zu regeln. Dieser Anregung wurde aber nicht entsprochen. Lediglich die Datenweitergabe von Anmeldedaten an die Finanzbehörden wurde im Gesetz verankert, wobei „lediglich“ im Einzelfall durchaus auch schon zum Problem werden kann: jemand, der beim Amt erklärt schon seit längerem der Prostitution nachzugehen, aber steuerlich überhaupt nicht erfasst ist, muss sich dann schon die Frage des zuständigen Finanzamtes gefallen lassen, wie denn in der Vergangenheit der Steuerpflicht entsprochen wurde. Ein Fallstrick, den viele Sexworker einfach (noch) nicht sehen oder sogar leugnen.
Interessant war in der Bestandsaufnahme des Rechnungshofes auch die Suche nach angestellten Prostituierten in Deutschland, die ergebnislos endete! – Den Kenner überrascht dies nicht wirklich, denn welcher Betreiber errichtet ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit einer Sexworkerin, die sich aber durch diverse gesetzliche Vorschriften und Persönlichkeitsrechte überhaupt nicht an Anweisungen halten muss? Und warum soll man sich in einem unsteten Gewerbe überhaupt in eine mögliche Haftung bringen? – Viel blöder kann man ja kaum verfahren und nach dem neuen Gesetz für 2017 werden die Pflichten für Betreiber noch erheblich erweitert, was den ermittelten 0-Wert des Bundesrechnungshofes auch in den kommenden Jahren eindeutig bestätigen wird!
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